Wann die neue Regierung unter Sebastian Kurz große Reformen angehen wird, wenn nicht jetzt, fragt Andreas Schnauder.

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Wenn Hartwig Lögers erstes Budget als eines der vergebenen Chancen tituliert wird, lohnt sich ein Blick auf den Absender des Urteils, bestimmt doch der Standort den Standpunkt. Was man in der Form vielleicht nicht erwartet hätte: Der Finanzminister wird von Arbeitnehmerseite ebenso in die Mangel genommen wie von wirtschaftsliberalen Kreisen. Da könnte man glatt zur Bewertung kommen, dass Löger angesichts der Speerspitzen von links und rechts eine ausgewogene Position verficht.

Das Doppelbudget 2018 und 2019 wird vor allem durch einen Faktor geprägt: den Geldregen. Die zusätzlichen Einnahmen dank guter Konjunktur und die Entlastung des staatlichen Haushalts durch niedrige Zinsen sind enorm. Ein Nulldefizit geht sich da recht locker aus. Und da die Bankenrettungen in Zukunft ausbleiben und bereits erfolgte Hilfszusagen abreifen sollen, sinkt die Verschuldung rapide.

Einnahmenflut

Derart günstige Rahmenbedingungen hatte schon lange kein Finanzminister mehr. Jetzt stellt sich die Frage, was Löger mit der unverhofften Einnahmenflut anstellt. Die Antwort: wenig. Das zeigt allein schon ein genauerer Blick auf ein paar Eckdaten. Allein die Einnahmen steigen nach den hauseigenen Berechnungen trotz eingepreister Steuerreform bis 2022 um neun Milliarden Euro. Bei den Pensionen liegt der Bundeszuschuss allein heuer um mehr als zwei Milliarden Euro unter der bisherigen Planung. Hinter diesen Prognosezahlen stehen keine Maßnahmen der Regierung, sondern mehr Jobs, mehr Konsum und somit höhere Steuereinnahmen und Sozialbeiträge. Das Nulldefizit fällt der Regierung quasi in den Schoß.

Warum sprechen dann Kritiker von einem Kahlschlag, von Kürzungen bei den sozial Schwächsten? Klarerweise gibt es – wie bei jedem Budget – ein paar Verschiebungen. Bei Pflege wird mehr Geld lockergemacht, die zusätzlichen Polizeiposten stechen ebenfalls hervor. Auf der anderen Seite darf die Bahn nicht mehr ganz so schnell ohnehin hinterfragenswerte Löcher in Berge bohren, das Arbeitsmarktservice muss seine Pläne zurückschrauben, und beim Heer wurden ebenso ein paar Abstriche beim rasanten Ausgabenanstieg gemacht (deutlich höher budgetiert ist die Landesverteidigung allemal).

Förderprojekte auf Eis

Zudem wurden ein paar Sondermaßnahmen auf Eis gelegt, bekanntermaßen die Arbeitsmarktinitiativen Jobbonus und Aktion 20.000, aber auch KMU-Förderungen und die Investitionsprämie. Es kommt nicht ganz überraschend und ist auch nicht unredlich, dass jede von einer Kürzung betroffene Gruppierung protestiert. Doch was den Haushalt insgesamt betrifft, handelt es sich bei den Einsparungen um Arrondierungen, die nicht allzu stark ins Gewicht fallen.

Am vielsagendsten am Doppelbudget samt Finanzrahmen bis 2022 erscheinen die dürftigen Ansagen zur weiteren Entwicklung. Der Spielraum für die als "Leuchtturmprojekt" klassifizierte Entlastung ist denkbar gering. Wenn die Steuerreform 2020 nur das vorerst rein formal festgelegte Volumen von 3,5 Milliarden Euro umfassen sollte, würde nicht viel mehr als die kalte Progression seit der Entlastung im Jahr 2016 abgegolten.

Teelichter statt Leuchtturmprojekte

Das liegt vor allem an der Ausgabendynamik. Sie wird zwar deutlich gedämpft, doch angesichts der Windfall-Profits bei Zinsen und Pensionen darf sie getrost als zu hoch bezeichnet werden. Daran wird sich auch nichts ändern, solange die Regierung nicht tiefer in die Strukturen geht. Bei den großen Brocken Pensionen, Doppelgleisigkeiten und Gesundheit fehlen die Ansätze. Von den Leuchtturmprojekten sind vielleicht ein paar Teelichter zu erkennen. Da stellt sich schon die Frage, wann die neue Regierung unter Sebastian Kurz große Reformen angehen wird, wenn nicht jetzt. Besser können die Voraussetzungen nicht mehr werden. (Andreas Schnauder, 21.3.2018)