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In vielem hat sich die ÖVP unter Sebastian Kurz der Strache-FPÖ angenähert. Deckungsgleich sind die Parteien aber nicht. Populisten wählen daher eher die FPÖ.

Foto:reuters/foeger

Spätestens seit dem Jahr 2016 kommt man in keiner politischen Diskussion um den Begriff Populismus herum. Abgesehen davon, dass der Begriff gerne falsch oder zumindest unscharf verwendet wird (darüber habe ich mich an dieser Stelle schon einmal ausgelassen), wird dieses Label meist Parteien oder Politikern umgehängt. Aber natürlich gibt es auch mehr oder weniger stark populistisch tickende Wähler.

In aller Kürze bezeichnet Populismus eine Anschauung, die die Auseinandersetzung zwischen dem "wahren Volk" (wie auch immer definiert) und einer korrumpierten Elite als den zentralen politischen Konflikt betrachtet. Politik habe nach dieser Anschauung den als homogen empfundenen "Volkswillen" umzusetzen. Diese Weltsicht ist prinzipiell mit verschiedenen Trägerideologien kompatibel und findet sich dementsprechend auch quer durch das gesamte politische Spektrum.

Wie unterscheiden sich nun die Anhänger verschiedener Parteien in puncto populistische Einstellungen? Dazu wurden in der Autnes-Nachwahlbefragung 2017 den Befragten folgende Aussagen vorgelegt (mit fünfteiliger Antwortskala von "trifft sehr zu" bis "trifft gar nicht zu"):

  • Die meisten Politiker interessieren sich nicht für die Meinung der Bürger.
  • Die meisten Politiker sind vertrauenswürdig.
  • Das größte Problem in Österreich sind die Politiker.
  • Eine starke Führungspersönlichkeit in der Regierung zu haben ist gut für Österreich, auch wenn sie sich nicht immer an die Regeln hält, um Dinge voranzubringen.
  • Das Volk sollte unsere wichtigsten politischen Entscheidungen treffen, nicht die Politiker.
  • Die meisten Politiker kümmern sich nur um die Interessen der Reichen und Mächtigen.
  • Als Abgeordneten hätte ich lieber einen unabhängigen Bürger als ein Parteimitglied.
  • Konzerne, und nicht Regierungen, bestimmen die Politik.

Aus den Antworten der rund 1.200 Befragten auf diese acht Items lässt sich per Standardisierung und Mittelwertbildung ein Index errechnen, wobei bei Aussage 2 die Vorzeichen umgedreht werden müssen (es handelt sich dabei um die einzige Aussage, wo Zustimmung geringeres Populismusniveau impliziert).

Die Grafik unten zeigt Mittelwerte des so errechneten Populismus-Index nach Wahlentscheidung bei der Nationalratswahl 2017 (genauer gesagt werden die Schwankungsbreiten um die Mittelwerte dargestellt). Hinter den Indexwerten verbirgt sich keine konkrete Bedeutung, außer dass höhere Werte stärkere und niedrigere Werte schwächere populistische Einstellungen bedeuten.

Die Ergebnisse sind wenig überraschend: Bei FPÖ-Wählern sind populistische Einstellungen am stärksten ausgeprägt (Mittelwert: 0,52) – dicht gefolgt von Nichtwählern (0,42). Letzteres ist nur logisch – wer die politischen Eliten insgesamt als abgehoben und korrupt wahrnimmt, sieht wohl auch weniger Sinn darin, wählen zu gehen.

Mit einigem Abstand folgen die Wähler der Liste Pilz (Mittelwert: 0,13), dahinter liegen die Anhänger von ÖVP, Neos, Grünen und SPÖ relativ dicht beieinander (Mittelwerte zwischen –0,08 und –0,23).

Diese Daten helfen auch, eines klarzustellen: Wiewohl die ÖVP unter Sebastian Kurz einiges an Inhalten von der FPÖ übernommen hat, ist sie keine populistische Partei. Abgekupfert hat Kurz den Nativismus der FPÖ, nicht ihren Populismus (auch wenn diese Unterscheidung vielen schwerfällt).

Ein Blick in die Wahlprogramme der beiden Parteien bestätigt diesen Eindruck. Während bei der FPÖ unter anderem gegen "globale Großkonzerne", "Finanzjongleure", "Günstlinge" im staatsnahen Bereich oder einfach nur "bestimmte Kräfte in Politik und Medien" gewettert wird, findet sich solche Anti-Eliten-Rhetorik bei der ÖVP nicht.

So sehr die beiden Regierungsparteien also bei den Themen Zuwanderung und Integration mittlerweile auf einer Linie liegen, handelt es sich dennoch um die Zusammenarbeit einer populistischen mit einer nichtpopulistischen Partei. Dementsprechend wählen populistische Wähler – wenn sie denn wählen – auch Strache, nicht Kurz. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 21.3.2018)