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Wie sehr Tiere empfinden können, liegt oft im Auge des Betrachters. Von Afrikanischen Elefanten ist allerdings bekannt, dass sie bei Schmerzen Tränen produzieren.

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Lange Zeit galten Tiere in der Biologie als eine Art Automaten: Da man sie über ihre emotionalen Zustände und Motivationen nicht befragen kann, ging man sicherheitshalber davon aus, sie hätten keine – oder wenn doch, könnten wir einfach nichts darüber wissen. Wenn wir also den Eindruck hätten, der Hund freue sich, würde das lediglich über unsere menschliche Wahrnehmung etwas aussagen, aber nicht über den Hund, den wir bei dieser Gelegenheit unerlaubt vermenschlichen würden. Mittlerweile ist das Thema jedoch einigermaßen salonfähig geworden, und die entsprechende Forschung macht die Vorstellung vom Tier-Automaten immer unwahrscheinlicher.

Die Zoologin Angela Stöger-Horwath vom Department für kognitive Biologie an der Universität Wien, die seit Jahren die akustische Kommunikation von Elefanten erforscht, formuliert es darwinistisch: "Gefühle basieren unter anderem auf physiologischen Vorgängen wie zum Beispiel der Mutter-Kind-Bindung, die durch das Hormon Oxytocin massiv beeinflusst wird. Bei Gefühlen sind immer auch Hormone im Spiel, und die haben die Tiere genauso wie wir. Man müsste eigentlich eher beweisen, dass Tiere keine Gefühle haben als umgekehrt." Von ihren eigenen Forschungsobjekten, den Afrikanischen Elefanten, ist bekannt, dass sie bei Schmerzen Tränen produzieren sowie dass sie sich längere Zeit bei toten Artgenossen aufhalten und sie manchmal sogar zudecken.

Ratten als Retter in der Not

Ob es sich dabei um echte Empathie handelt, also um die Fähigkeit, den Gemütszustand anderer zu verstehen, ist freilich ungeklärt. Deutlichere Hinweise auf empathisches Verhalten gibt es von Ratten. Ein japanisches Forschungsteam unterzog Ratten folgendem Experiment: Eine Ratte befand sich in einem Käfig, dessen Tür eine zweite Ratte zu öffnen lernte. Wurde die erste Ratte nun gründlich durchnässt – was die Tiere gar nicht mögen -, beeilte sich die zweite, sie zu aus der misslichen Lage zu befreien. Dabei waren diejenigen Ratten schneller, die vorher selbst schon einmal durchnässt worden waren. Dann wurden die Forscher fies: Die Helferratte musste sich entscheiden, ob sie sich zuerst eine Futterbelohnung holte oder ihre Artgenossin befreite. Und siehe da: Der größte Teil der Tiere betätigte sich zuerst als Retter.

Mit ganz anderen Emotionen, nämlich mit Erwartungshalten, arbeiten Thomas Bugnyar und seine Mitarbeiter, ebenfalls vom Department für kognitive Biologie an der Universität Wien, und zwar mit Kolkraben. Dabei werden in einer Voliere zwei Futterstücke ausgebracht – das eine ein sehr begehrtes, wie zum Beispiel ein Stück Wurst oder Käse, und das andere ein weniger beliebtes, wie etwa ein Stück Karotte oder Salat. Beide werden hinter einer Holzwand mit einem Guckloch verborgen. Kommt nun ein Rabe in die Voliere, kann er die Leckerbissen durch das Guckloch sehen, aber er kann sie sich nicht holen.

Nichtsdestoweniger haben die Tiere offenbar gewisse Erwartungen: Solange beide Stücke da sind, ist der Versuchsrabe sehr aufgeregt. Dann jedoch wird eine der beiden Belohnungen entfernt. Bleibt die Wurst oder der Käse, wird der Rabe noch aufgeregter – so springt er etwa an den Wänden der Voliere hoch und schaut ständig durch das Loch. Ganz anders die Szene, wenn die Karotte oder der Salat übrig bleibt: Dann beschäftigt sich der Vogel heftig mit allem, was er in der Voliere findet, schaut aber immer wieder nur ganz kurz durch das Loch.

In der Folge wollen Bugnyar und seine Gruppe feststellen, inwieweit andere Raben, die das Geschehen nur beobachten, sich von der Stimmung des Individuums in der Voliere anstecken lassen. Es geht dabei um die sogenannte kognitive Urteilsverzerrung, auf Englisch "cognitive judgement bias". Beim Menschen ist das, salopp ausgedrückt, die klassische Haltung, die sich in "Das Glas ist halb voll beziehungsweise halb leer" ausdrückt. Auch bei Tieren gibt es laut Bugnyar Pessimisten und Optimisten: In diesem Sinne haben er und seine Mitarbeiter Kolkraben auf die Unterscheidung "Schwarz wird belohnt, Weiß nicht" trainiert – nur um ihnen dann in Tests verschiedene Grautöne anzubieten und ihre Reaktion zu beobachten. Zu erwarten wäre, dass die "Pessimisten" unter den Raben das Grau als "halb leeres Glas" sehen und schneller aufgeben oder anderes Frustrationsverhalten zeigen als die "Optimisten", für die das Grau ein halb volles Glas verkörpert.

Der Gesichtsausdruck von Pferden

Mit dem Gefühlsleben eines der Lieblingstiere des Menschen beschäftigt sich die Tierärztin Sara Hintze vom Institut für Nutztierwissenschaften an der Universität für Bodenkultur in Wien. In ihrer Dissertation untersuchte sie den Gesichtsausdruck von Pferden, namentlich die Falten über ihren Augen. Von diesen behaupten Pferdeliebhaber seit langem, auf die Seelenlage ihrer Tiere schließen zu können. Hintze setzte ihre Versuchstiere positiven Situationen aus wie Kraulen und negativen wie einem bedrohlich wirkenden Plastiksackerl und vermaß die Stellung der Oberaugenfalten genau. Dabei konnte sie belegen, dass die Falten tatsächlich Auskunft über die Gefühlslage der Tiere geben. Außerdem konnte sie zeigen, dass Menschen auch imstande sind, diese Gefühlslage wahrzunehmen – zumindest, wenn sie das ganze Pferd sehen: Beobachterinnen, die mit Videos der Pferde konfrontiert wurden, ohne zu wissen, in welchen Situationen diese aufgenommen wurden, konnten ihnen trotzdem die richtigen Emotionen zuordnen.

In einem vor kurzem angelaufenen Projekt beschäftigen sich Hintze und ihre Kollegen mit Mastrindern. Eine spezielle Versuchsanordnung ist dafür vorläufig nicht nötig: Es geht darum, wie die Rinder bei ganz normaler Haltung mit Inaktivität zurechtkommen – und wie sich das auf ihre Gefühlslage auswirkt. (Susanne Strnadl, 24.3.2018)