Wien – Zwischen den beiden Werken liegen 100 Jahre, liegt fast das ganze 19. Jahrhundert mit all seinen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Igor Strawinskys Le sacre du printemps ("Das Frühlingsopfer") wurde im Jahre 1913 in Paris skandalumweht uraufgeführt, ein Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Ludwig van Beethovens siebte Symphonie wiederum wurde 1813 in Wien erstmals öffentlich gespielt und ist als ein Nachkriegswerk zu verstehen: Die Besetzung der Stadt durch die Truppen Napoleon Bonapartes klingt in der Siebten nach.

Heftig und grell

Beethoven zitiert Gossecs Le triomphe de la République, er baut wiederholt Motive der französischen Militärmusik in sein Werk ein. Von diesen kriegerischen Beigaben hörte man im Gastspiel der Münchner Philharmoniker unter der Leitung Valery Gergievs im Musikverein nicht allzu viel. Und auch die Hörner, die zu Beethovens Zeiten recht heftig und grell klangen, wenn sie in A-Dur zu spielen hatten, blieben bei Gergiev leider etwas unauffällig in einen wohligen Gesamtklang eingebettet.

Bei den Münchner Philharmonikern erfreute zwar insgesamt ein agiles, feingliedriges Musizieren. Dirigent Valery Gergiev hätte allerdings im Kopfsatz Stimmenkorrespondenzen eher noch deutlicher nachzeichnen können.

Und auf eine gewissermaßen überschäumende Freude, wie sie zuletzt etwa die Wiener Symphoniker unter ihrem Chefdirigenten Philippe Jordans Leitung transportierten, wartete man im Finalsatz irgendwie vergebens.

Wer gehofft hatte, dass die philharmonischen Gäste nach Igor Strawinskys frühem, erst jüngst wiederentdecktem Funeral Song op. 5 beim gerne auch wilden Le sacre du printemps dann maßgeblich an Intensität und Einsatzfreude zulegen würden, der hoffte vergebens.

Eher Durchschnitt

Valery Gergiev dirigierte Strawinskys hochartifizielle Darstellung des Barbarischen mit der Lässigkeit des späten James Last. Und die Münchner präsentierten sich leider als das derzeit durchschnittlichste, betulichste der deutschen Spitzenorchester. Ja, wundervoll natürlich das Solofagott zu Beginn des eruptiven Werkes und die anschließende Holzbläserpassage.

Bei den Streichern bildeten die Bratschen den einzigen Aktivposten. Durchschnittlicher Beifall, der keine Zugabe forderte und auch keine bekam. Vielleicht beim nächsten Mal. Vielleicht auch schon Dienstag: Da gastiert im Wiener Musikverein die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen mit Dirigent Paavo Järvi und Geiger Christian Tetzlaff. (Stefan Ender, 19.3.2018)