Im Stil italienischer Renaissance-Malerei inszeniert der Schweizer Fotokünstler Christian Tagliavini Elfen, Maschinisten und Zauberwesen: als ikonografische Evangelien.
Einblicke in Christian Tagliavinis Bilderwelten, fotografiert von Lukas Friesenbichler.

Andeuten, umgestalten, neu figurieren, tarnen und täuschen. All das hat der florentinische Maler Fra Filippo Lippi im Quattrocento in Norditalien im Dienste der Medici perfektioniert. Als Referenz auf den Renaissancefürsten versteht Christian Tagliavini sein Schaffen. 1406 nennt der Schweizer Fotograf nunmehr seine jüngste Serie; als Hommage an Lippi (und dessen Geburtsdatum).

Erratisch in Narrativ und Aura sind auch ältere Serien des Künstlers, der seine Phantasmagorien im Stil alter Meister inszeniert. Botticelli, Michelangelo und da Vinci stehen Pate für seine wundersamen, wunden Fantasiegebilde. Er nutze Vorlagen nur als Hintergrundfolie, wolle keine authentischen Nacherzählungen schaffen, formuliert Tagliavini seinen ästhetischen Ansatz. "Meine Bilder sind keine direkten Adaptionen, eher freie Assoziationen." Wenn er, der der Renaissance neues Leben einhaucht, sich also auf mysteriöse Phantasmen bezieht, bedeutet das aber auch eine Hinwendung zum Hier und Jetzt.

Wider den Zeitgeist

Tagliavini fusioniert Jules Verne mit der Bibel, adaptiert Kulturgeschichte mit Zeitgenössischem. Er schafft, wider den Zeitgeist, Rätsel, statt diese zu lösen. Subtil legt er Fährten und führt doch ins Leere. Seine Reisen weisen ins Jenseits – und sind doch von irdischen Versuchungen durchwachsen. Eine fragile, unterkühlte Erotik hoher Krägen, hochgeschlossener, aber körperbetonter Lederbüsten trifft auf üppige Empire-Dekolletés. Meditativ bis unterwürfig der gesenkte Blick der Protagonisten. Für Louis XV hätte er wohl früher Luftschlösser erschaffen, heute dient er uns. Grazie! (Gregor Auenhammer, Album, 22.3.2018)