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Putin gab seine Stimme in Moskau ab.

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Siegessicher.

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Hellseherischer Fähigkeiten bedurfte es am Sonntag auch vor Wahlschluss nicht, um den Sieg Wladimir Putins vorauszusagen. Die laut Hochrechnungen über 70 Prozent bei gleichzeitig reger Wahlbeteiligung dürften dem Ego des Kreml-Chefs schmeicheln. Alle Bedingungen für den haushohen Sieg hatten die Behörden vorsorglich geschaffen: Wieder einmal wurden unangenehme Kandidaten im Vorfeld ausgesondert. Wieder einmal Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes zur Stimmabgabe regelrecht gedrängt. Wieder einmal war Putin auf den Bildschirmen omnipräsent.

In der Woche vor der Wahl flutete gar noch eine zweiteilige Putin-Doku, gedreht vom Programmchef der staatlichen Nachrichten Andrej Kondraschow, das Internet. "Ein toller Film", lobte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow anschließend. Als PR-Arbeit auf jeden Fall. Doch auch wenn die russische Präsidentenwahl 2018 nicht als Beispiel für Fairness und Transparenz in die Geschichtsbücher eingehen wird, klar ist: Der Opposition fehlt es nicht nur an Köpfen, sondern auch an einer einheitlichen Strategie. Bei der Wahl hat sie sich wieder zersplittert gezeigt. Putin hingegen genießt weiterhin durchaus Rückhalt in der eigenen Bevölkerung. Dieses Faktum muss man zur Kenntnis nehmen.

Dabei haben sich sowohl sein Image als auch seine Prioritäten in den 18 Jahren an der Macht gewandelt. Trat er zunächst als Wirtschaftsreformer auf und war den Russen Symbol für den ökonomischen Aufschwung nach den chaotischen 1990er-Jahren, die einen Großteil der Bevölkerung verarmen ließen, so setzte Putin später immer mehr auf die starke Hand des Staates in der Wirtschaft und spätestens seit dem Anschluss der Krim 2014 den Akzent auf die Außenpolitik. Statt mit Wachstum wirbt Putin nun mit Stabilität und Großmachtstatus.

Natürlich enthielt seine programmatische Rede zur Lage der Nation kurz vor der Wahl auch Modernisierungsaufrufe. Investitionen in Infrastruktur und Städtebau sind ein Ansatz, um dringend notwendiges neues Wachstum zu generieren. Entbürokratisierung und Digitalisierung sind nötig, um den Anschluss nicht zu verlieren. Doch solche Appelle gab es auch 2012. Umgesetzt wurden sie nicht. Und leider wurde die Rede von der volltönenden Demonstration neuartiger Atomwaffen überschattet, die den Rest der Welt dazu zwingen sollen, Russland den aus seiner Sicht zustehenden und lange vermissten Respekt zu zollen. Militärische Stärke als Objekt des Stolzes.

Ob Bluff oder nicht: Putins Programmatik gibt wenig Hoffnung auf eine Erneuerung seiner Politik in seiner vierten Amtszeit. Wenn der Rüstungssektor der Motor der Modernisierung Russlands sein soll, dann sind wir nicht mehr weit von der Sowjetunion entfernt, wo der Großteil des Haushalts in die Entwicklung immer neuer Waffentechniken floss, während in allen zivilen Bereichen ein totales Defizit herrschte.

Nein, es wird keine genaue Kopie. Aber die Tendenz ist erkennbar. Auch in einem weiteren Punkt. Die Sowjetdiktatoren herrschten zumeist bis zum Totenbett, ob sie wollten oder nicht. Wenn Putins nächste Amtszeit 2024 ausläuft, ist er 71 Jahre alt. Laut Verfassung dürfte er nicht noch einmal kandidieren. Doch das russische System der "Gewaltenteilung" ist ganz und gar auf ihn abgestimmt. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. (André Ballin, 18.3.2018)