Eine Großdemonstration vor dem rumänischen Parlament in Bukarest – seit Jahren ein gewohnter Vorgang, um gegen die Korruption in der Politik zu protestieren.

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Bukarest/Sibiu/Wien – Der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis steht vor einer wichtigen Entscheidung. Diese kann ihn zwar als Galionsfigur des Antikorruptionskampfes bestätigen, wird dann aber die politische Dauerkrise prolongieren: Soll er sich tatsächlich weigern, Laura Kövesi, oberste Antikorruptionsstaatsanwältin, zu feuern?

Im Februar hatte Justizminister Tudorel Toader die Amtsenthebung Kövesis vorgeschlagen – worauf Iohannis schon damals unmittelbar reagierte und als "unbegründet" ablehnte. Auch der Bescheid des Obersten Magistraturrats fiel negativ aus, und so stimmte Toader selbst als Einziger für eine Amtsenthebung. 20 Anklagepunkte hatte der Justizminister in seinem Bericht zusammengetragen – darunter auch, dass Kövesi durch Interviews für internationale Medien das Image des Landes beschädigt habe.

Dies ist nur der vorläufig letzte Höhepunkt eines Grundkonflikts, der die rumänische Gesellschaft schon seit der Wende 1989 beherrscht und die demokratiepolitische Konvergenz mit europäischen Standards immer wieder gebremst, wenn nicht gar verhindert hat. So war es auch im vergangenen Jahr, in dem sich rasch drei Regierungen abwechselten und Nacht-und-Nebel-Offensiven der jeweiligen Regierung gegen die Justiz immer wieder mit landesweiten Großdemonstrationen verhindert werden mussten.

Ungehemmte Bereicherung ...

Waren es anfangs postkommunistische Seilschaften, die sich ungehemmt bereichern wollten und daher die Demokratisierung zu vereiteln suchten, geht es den jetzigen Regierungspolitikern darum, die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen, um sich selbst vor Verurteilung und Haft zu schützen. Seit der Grundreform der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (DNA) und der gesetzlichen Verankerung deren Unabhängigkeit im Vorfeld des EU-Beitritts 2007 ist kein Politiker vor ihrem langem Arm sicher.

Seit den Präsidentschaftswahlen 2014 und den Parlamentswahlen 2016 stehen sich der liberale Präsident Iohannis (ihn hob eine Welle der Empörung gegen die Korruption ins Amt) und die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten (PSD) und Liberaldemokratischer Allianz (ALDE) gegenüber. PSD-Chef ist Liviu Dragnea, der sich als "Lokalbaron" im Landkreis Teleorman einen Namen machte. Er wurde 2015 wegen eines von ihm angelegten umfassenden Wahlbetrugssystems rechtskräftig verurteilt.

Aufgrund dieser Vorstrafe konnte Dragnea nicht mehr selbst für das Amt des Ministerpräsidenten antreten und setzt daher – durchaus in Trump-Manier, ist man zu formulieren versucht – Strohmänner und -frauen ein. Diese beruft er bald wieder ab, wenn es ihnen nicht gelingt, das Unmögliche zu vollbringen: nämlich in einem EU-Land im 21. Jahrhundert die Justiz de facto gefangen zu nehmen.

... führt in juristische Notlage

Dragneas Notlage ist akut, er steht weiter auf Kriegsfuß mit der Justiz. Anhängig ist eine DNA-Anklage: Er habe als Kreisratsvorsitzender in Teleorman ein Korruptionsimperium aufgebaut und mit unlauteren Immobiliengeschäften – einschließlich Zweckentfremdung von EU-Finanzierungen – einen auf über 21 Millionen Euro geschätzten Schaden verursacht.

In einem weiteren Verfahren wird Dragnea angeklagt, das lokale Jugendamt genötigt zu haben, zwei Angestellte formal zu beschäftigen, die eigentlich für die Lokalorganisation der Partei tätig waren. Auch Dragneas Sohn rückte jüngst ins Visier der DNA.

Entsprechend verbissen sind die Angriffe der Regierung auf die Justiz. Im Jänner 2017 sollte über Eilverordnungen eine De-facto-Straffreiheit für Politiker zum Gesetz erhoben werden. Erst wochenlange Straßenproteste erwirkten einen Rückzieher.

Die Regierung versuchte dann über Gesetzesnovellen, den Handlungsspielraum von Staatsanwälten einzuschränken, was erneut Hunderttausende veranlasste, mit Slogans wie "Wir fordern unser Land zurück" oder "Korruption tötet" auf die Straße zu gehen.

Nun hat sich der Krieg an die Kövesi-Front verlagert – Ausgang und Dauer ungewiss. Gewiss ist nur, dass Rumänien an der politischen Peripherie Europas dahindümpeln wird, solange die Dauerkrise echte Politik verhindert. (Laura Balomiri, 17.3.2018)