Wie viel Sicherheitsnetz muss sein, und wann wird es zur Falle? Eine alte Diskussion, die nun angesichts der neuen Budgetpläne wieder geführt werden muss.

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Wien – Kaum ein Land gibt mehr für Soziales aus als Österreich. Kritiker befürchten, dass ein zu großzügiger Wohlfahrtsstaat langfristig in finanzielle Nöte gerät. In diese Kerbe schlägt derzeit die Bundesregierung mit einem allgemeinen Sparziel von 2,5 Milliarden Euro.

Verfechter eines üppig finanzierten Sozialstaates betonen hingegen, dass Ausgaben für Pensionen, Gesundheit, Bildung usw. die Qualität des Standorts dertmaßen verbessern, dass dadurch die Wettbewerbsfähigkeit steigt. So argumentiert etwa die Arbeiterkammer, gewappnet mit einer aktuellen beim Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) in Auftrag gegebenen Studie. Das Fazit der Ökonomen: Die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft – gemessen an der Arbeitsproduktivität – geht mit hohen Sozialausgaben einher. Dabei bestehe eine Wechselwirkung, deren genaue Gewichtung allerdings nicht aus der Auswertung hervorgehe, wie Studienautorin Christine Mayrhuber sagt.

Auswirkungen auf Konsum

Handfester sind die Auswirkungen von Sozialausgaben auf den Konsum und die direkte Beschäftigung: Rund 30 Prozent des Bruttoinlandprodukts gab der Staat 2016 für Soziales aus. Das entspricht mehr als 100 Milliarden Euro. Gut zwei Drittel davon waren direkte Geldleistungen wie Arbeitslosengeld oder Pensionen. Diese fließen unmittelbar in die Nachfrage, vor allem bei Beziehern aus niedrigeren Einkommensschichten. Das übrige Drittel der Sozialausgaben sind diverse Sachleistungen, etwa im Gesundheitsbereich und bei Bildung. Daran hängen wiederum rund 370.000 Stellen, also zehn Prozent aller unselbstständig Beschäftigten, rechnet Mayrhuber vor. Der Staat stützt somit Nachfrage und Beschäftigung, auch über den Konjunkturzyklus hinweg.

Ein generelles Bekenntnis zum Sozialstaat ist politisch kaum umstritten, wie die Industriellenvereinigung in einer Reaktion auf die Studie betont. Allerdings kritisieren die Wirtschaftsvertreter eine Verlagerung innerhalb des Sozialbereichs von "Zukunftsausgaben hin zu Konsum- und Transferausgaben". Tatsächlich zeigt auch die Wifo-Auswertung, wie vielfältig Sozialstaaten ausgeprägt sind.

USA mit großem Sozialstaat

Die Intuition, dass große Sozialstaaten vor allem umverteilen, muss nicht zutreffen. Beispielhaft für ein – höchst wettbewerbsfähiges – Land mit einem großen Sozialstaat sind die USA, mit einer der weltweit höchsten Nettosozialquoten. Amerika liegt etwa bei den Gesundheitsausgaben im Spitzenfeld – ohne entsprechende Resultate beim Wohlbefinden der Bevölkerung. Auch die Armut in den USA ist im OECD-Vergleich notorisch hoch.

Noch wettbewerbsfähiger als die USA ist die Schweiz. Mit einer Sozialquote von 24 Prozent ist der eidgenössische Sozialstaat ähnlich umfangreich wie der österreichische. Auch bei der niedrigen Armutsrate und der Gesundheitsversorgung schneidet das Nachbarland ähnlich gut ab. Bei Bildung und Innovation hängt die Schweiz Österreich in den globalen Rankings deutlich ab.

Wie die Studienautoren betonen, sind investive Ausgaben in "Humanressourcen" (Bildung und Gesundheit) ein wesentlicher Beitrag, den ein Sozialstaat zu nachhaltigem Wohlstand beisteuern kann. Was der globale Vergleich auch zeigt: Wie groß der Sozialstaat ist, sagt für sich wenig aus. (Stefan Leopold, 15.3.2018)