Herbert Kickl hat einen Mitarbeiter im Büro, der über alle Details der Vorwürfe von zwei anonymen Zeugen informiert ist.

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Peter Goldgruber zeichnete für eine Anzeige bei der WKStA verantwortlich, so versteht das zumindest die Justiz.

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Wien – Die Regierungsspitze war zuletzt bemüht, in der Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu kalmieren. Für Justizminister Josef Moser (früher FPÖ, jetzt ÖVP) waren die durchgeführten Hausdurchsuchungen rechtskonform, wie er am Mittwoch bei der Präsentation eines ersten Prüfberichts erläuterte.

Das Innenministerium unter Herbert Kickl (FPÖ) wiederum versuchte stets die eigene Rolle herunterzuspielen. Ihm stehe eine Beurteilung des Falles "überhaupt nicht zu", erklärte Kickl vor einigen Tagen und stellte fest, "dass ich hier der falsche Ansprechpartner bin".

Zentrale Rolle

Nach und nach wurde allerdings in den vergangenen Tagen deutlich, wie stark das Kickl-Büro in die BVT-Affäre involviert war und dass es auch eine zentrale Rolle im Vorfeld der Hausdurchsuchungen spielte. Immer wieder wurden dabei Aussagen nachjustiert. So bezeichnete der Generalsekretär des Innenministeriums, Peter Goldgruber, am Dienstag noch STANDARD-Recherchen als "Unfug", wonach er selbst es war, der eine Anzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einbrachte.

Am Mittwoch erklärte dann der Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, die Übergabe von Unterlagen durch Goldgruber an die WKStA sei dort natürlich als Anzeige aufgenommen worden.

"Vertrauenspersonen"

Ebenfalls durch das Justizressort wurde publik, dass ein Kabinettsmitarbeiter Kickls bei den Aussagen von zwei der vier anonymen Belastungszeugen dabei gewesen ist, als "Vertrauensperson", wie das laut Strafprozessordnung möglich ist. Zur Erinnerung: Die Ermittlungen, die ursprünglich auf einem anonym verschickten 39-seitigen Dossier basierten, wurden durch diese Zeugen beschleunigt. Letztlich seien deren Aussagen, die bis jetzt nicht im Detail bekannt sind, der Hauptgrund für die Razzia gewesen, heißt es.

Nach STANDARD-Informationen handelt es sich bei dem Kabinettsmitarbeiter um Udo Lett. Er ist, wie berichtet, eigentlich Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) in Wien und derzeit nur dem Kabinett dienstzugeteilt. Bei den LVTs handelt es sich um die Landesniederlassungen des Verfassungsschutzes.

Ein Mitarbeiter des LVT Wien war also bei den Aussagen von zwei Zeugen dabei, als diese bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft seine Kollegen vom BVT belasteten. Zudem haben Lett und Goldgruber, so der bisherige Ermittlungsstand, den allerersten Zeugen persönlich an die WKStA vermittelt. Auf STANDARD-Anfrage stellte Goldgruber das zuletzt noch etwas anders dar. Er gab an, nicht zu wissen, wer die Zeugen sind.

Wanzengate

Im Innenressort wurde die Rolle Letts, dem auch Ambitionen auf die Nachfolge des derzeit suspendierten BVT-Chefs Peter Gridling nachgesagt werden, hinter vorgehaltener Hand bereits kritisch beäugt. So wurde das LVT Wien nach dem von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) gemeldeten Einbruch in seinem Büro und der dort angeblich gefundenen Wanze mit den Ermittlungen beauftragt.

Zuständig ist das LVT unter anderem auch für den Kampf gegen Rechtsextremismus, und, wie berichtet, haben sich BVT und LVT auch immer wieder kritisch mit Veranstaltungen auseinandergesetzt, an denen FPÖ-Politiker teilnahmen. Das Innenressort sieht allerdings keine schiefe Optik, verwiesen wurde darauf, Lett habe keinen Zugriff mehr auf LVT-Akten und sei auch vom Kommunikationsfluss im LVT abgeschnitten.

Weiterer Beschuldigter wehrt sich

Angesichts der vielen Ungereimtheiten macht die Opposition weiter Druck. Am Donnerstagnachmittag brachten die Grünen im Bundesrat dringliche Anfragen an Kickl und Moser ein. Der Justizminister bekräftigte dabei, es bestehe "kein Anlass zur Kritik" an der Staatsanwaltschaft.

Die Hausdurchsuchung sei nötig gewesen, weil die Gefahr bestanden habe, dass Beweismittel vernichtet werden. Konkret geht es dabei um Daten des Wiener Anwalts Gabriel Lansky und der früheren Grünen-Politikerin Sigrid Maurer, die eigentlich gelöscht werden hätten sollen, das aber angeblich nicht wurden. Gridling wird vorgeworfen, davon gewusst, aber keine Handlungen gesetzt zu haben. Konkret ging Moser darauf zwar nicht ein, er bezeichnete es aber als "unerträglich", wenn das Recht auf Löschung von Daten verletzt werde.

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Beim zweiten Ermittlungsstrang geht es um die Weitergabe nordkoreanischer Pässe an Südkorea. Von diesen Ermittlungen wusste das BVT, wie berichtet, lange vor der Hausdurchsuchung. Das spreche freilich nicht gegen die Hausdurchsuchung, wie Pilnacek am Donnerstag betonte. Schließlich sei das BVT über die Datenvorwürfe nicht informiert gewesen.

Kickl holte bei seinem Auftritt im Bundesrat zu einer Reihe von Gegenfragen aus und wollte von den Grünen unter anderem wissen, ob man bei Vorliegen eines Verdachtes "so tun solle, als wäre nichts". Es gehe nicht um "Umfärbung, politische Machtkämpfe oder um Intrigen – das ist der Weg der Rechtsstaatlichkeit", so Kickl.

Über Einsatzbesprechung informiert

Die Suspendierung Gridlings verteidigte er neuerlich unter Berufung auf das Beamtendienstrecht. Der Minister versicherte auch erneut, sein Ministerium habe keinen Zugriff auf sichergestellte BVT-Unterlagen oder die dortige Rechtsextremismusdatei. Er räumte aber erstmal explizit ein, dass auch er über die Einsatzbesprechung am Vortag der Hausdurchsuchung informiert gewesen sei. Bei dieser wurde ja die vom FPÖ-Gemeindepolitiker Wolfgang Preiszler geleitete Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) beauftragt.

Gridlings Anwalt Martin Riedl sagte in der ZiB2, er gehe davon aus, dass man seinen Mandanten "loswerden" wolle, und er sei bereit, in dieser Causa "alles zu tun, was rechtlich möglich ist". Gegen die vorläufige Suspendierung reicht der Anwalt Beschwerde ein.

Martin Riedl, Anwalt von Peter Gridling, am Donnerstag in der ZiB2.
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Neben Gridling wehren sich nun weitere beschuldigte BVT-Beamte gegen die Hausdurchsuchung. Rechtsanwalt Otto Dietrich, der einen Bediensteten vertritt, hat Beschwerde und Einspruch wegen Rechtsverletzung eingelegt. Er begründet das auf Anfrage des STANDARD damit, dass der Tatverdacht gegen seinen Mandanten nicht konkret und die Hausdurchsuchung unverhältnismäßig gewesen sei. Innerhalb von Behörden hätte man Amtshilfe leisten müssen und nicht zu Maßnahmen gemäß Strafprozessordnung (also der Hausdurchsuchung) greifen dürfen.

Prominent verbreitet

Die Beschwerde geht ans Oberlandesgericht Wien, wo ein Senat aus drei unabhängigen und weisungsfreien Richtern nun die Rechtmäßigkeit der Hausdurchsuchung prüfen muss – "obwohl sich das Justizministerium schon eine Meinung gebildet hat und diese medial prominent verbreitet hat", wie Dietrich sagt. Er meint damit die Pressekonferenz des Justizministers und seines Generalsekretärs, in der das Ministerium die Hausdurchsuchung für verhältnis- und rechtmäßig erklärt hat. Dieses Vorgehen sei schon "eigentümlich", sagt der Anwalt und fragt sich: "Aber was ist in diesem Fall nicht eigentümlich?" (Günther Oswald, Renate Graber, Fabian Schmid, Maria Sterkl, 15.3.2018)