Zivilisten aus Ostghouta bei ihrer Ankunft am Checkpoint in Adra.

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Damaskus – Am siebenten Jahrestag des Bürgerkriegs in Syrien haben die Rebellen mit dem Verlust der Stadt Hammuriye im Süden von Ostghouta eine schwere Niederlage erlitten: Die Truppen von Machthaber Baschar al Assad brachten eine der größten Siedlungen umkämpften Region am Donnerstag nach heftigen Luftangriffen komplett unter ihre Kontrolle, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte.

Die Truppen Assads hätten Hammuriye eingenommen, nachdem sich die islamistische Rebellengruppe Al-Rahman-Legion zurückgezogen habe, erklärte die Beobachtungsstelle. Mehr als 12.000 Zivilisten hätten Hammuriye sowie die benachbarten Orte Jisrin, Sakba und Kfar Batna durch einen Fluchtkorridor verlassen.

Das sei die größte Flüchtlingsgruppe seit Beginn der Offensive der Regierungstruppen im vergangenen Monat, teilte die Beobachtungsstelle mit. Die Menschen seien über den Grenzübergang Hammuriye in Auffanglager nahe der Hauptstadt Damaskus gebracht worden, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, der Deutschen Presse-Agentur. Die Angaben der Beobachtungsstelle, einer in London ansässigen Organisation, können nicht überprüft werden.

70 Prozent unter Assad-Kontrolle

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA verbreitete Fotos von Menschen, die angeblich die Region verlassen haben. Auf dem Bildmaterial waren vor allem Kinder, Frauen und ältere Menschen zu sehen. SANA spricht von "Tausenden Menschen", die russische Nachrichtenagentur Tass von 4000 Zivilisten seit Beginn der humanitären Feuerpause am Donnerstag. Bis zum Ende des Tages sollen rund 13.000 Menschen das Gebiet verlassen, sagte ein russischer Sprecher.

Die von Russland unterstützten Truppen des syrischen Machthabers Bashar al-Assad stehen offenbar kurz vor der Einnahme der letzten größeren Rebellenhochburg nahe der Hauptstadt Damaskus. 70 Prozent seien bereits unter der Kontrolle des Regimes, berichtet die Beobachtungsstelle. Assad hatte Mitte Februar eine großangelegte Luft- und Bodenoffensive gestartet. Seither wurden nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 1.100 Zivilisten getötet. Laut UN-Schätzungen sind dort rund 400.000 Menschen eingeschlossen.

Am Donnerstag traf im nördlichen Teil ein neuer Hilfskonvoi ein. "Der Konvoi ist in der Ostghouta eingetroffen und fährt nun nach Douma", sagte ein Sprecher des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK). Douma ist die größte Stadt der Ostghouta, in der seit 2013 knapp 400.000 Menschen von Assad belagert werden.

Lastwagen eingetroffen

Nach Angaben des IKRK-Sprechers hatten die 25 Lastwagen des Hilfskonvois Lebensmittelpakete und Mehlsäcke für 26.000 Menschen geladen. Es sei nur ein geringer Teil dessen, was die Einwohner von Ost-Ghouta benötigten, sagte der Sprecher. Es war der dritte Hilfskonvoi in zehn Tagen, der die Region erreichte, in der katastrophale humanitäre Bedingungen herrschen.

Seit Beginn der Offensive Mitte Februar wurden laut der Beobachtungsstelle knapp 1250 Zivilisten getötet, darunter mehr als 250 Kinder. Auch seien mehr als 4800 Zivilisten verletzt worden.

Extremisten unter Rebellen

Die Lage in der Ostghouta ähnelt der in der einstigen Rebellenhochburg Aleppo, auch im Ausmaß der Kriegsverbrechen und der humanitären Katastrophe. Die Zermürbung der Zivilisten ist Teil der Kriegsführung. Wie in Aleppo ist die Rechtfertigung dafür aber die Präsenz von extremistischen Elementen unter den verschiedenen Rebellengruppen, die nicht unter die etwaigen Waffenruhevereinbarungen fallen: die Gruppe Hay'at Tahrir al-Sham, eine Abspaltung der früheren Nusra-Front (Jabhat al-Nusra), die sich ganz offen zu Al-Kaida bekannt hat. Von der ebenfalls ziemlich radikalen Gruppe Jeish al-Islam und der Al-Rahman-Legion wird verlangt, dass sie sich von ihrer Allianz mit den Jihadisten lossagen.

Sieben Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs in Syrien hat Assad mit Hilfe iranischer und russischer Truppen den Großteil des Landes wieder unter seine Kontrolle gebracht. Die verbliebenen Rebellen kontrollieren außer Ost-Ghouta nur noch die Region Daraa im Süden und die Provinz Idlib im Nordwesten, doch stehen sie auch dort seit Monaten unter Druck.

Lage im Norden Syriens

Der Norden Syriens wird großteils von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) beherrscht, die ein wichtiger Verbündeter der USA sind im Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Seit Jänner geht jedoch die Türkei mit verbündeten syrischen Rebellen gegen die YPG in der Region Afrin vor, die bereits zu 70 Prozent unter Kontrolle Ankaras ist.

In den vergangenen Tagen flohen tausende Zivilisten aus der Stadt Afrin, die komplett von den türkischen Truppen eingeschlossen ist. In den "kommenden Tagen" werde das Stadtzentrum komplett "von Terroristen gereinigt sein", sagte der türkische Präsidentensprecher Ibrahim Kalin dem Staatsfernsehen TRT am Donnerstag.

Die Türkei betrachtet die YPG wegen ihrer engen Verbindungen zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Bedrohung. Ein YPG-Sprecher warnte vor einem "Massaker" im Fall der Einnahme von Afrin. (APA, AFP, red, 15.3.2018)