Der Dampf von E-Zigaretten enthält weniger Schadstoffe als Tabakrauch. E-Zigaretten können aber auch den Einstieg in den Tabakkonsum fördern, warnen Wissenschafter.

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Schätzungen zufolge greifen in Europa etwa sieben Millionen Menschen zur E-Zigarette. Der Dampf ist nicht unumstritten, sorgt er doch unter Wissenschaftern und Medizinern regelmäßig für hitzige Diskussionen. Ein Teil der Forscher verurteilt die E-Zigarette als Einstiegsdroge, mit der zukünftige Tabakkonsumenten herangezüchtet werden, die andere Gruppe feiert sie als deutlich weniger schädlichen Tabakersatz.

So warnte etwa kürzlich die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP), dass E-Zigaretten junge Menschen abhängig vom Nikotin machten und ihnen den Weg in den Tabakkonsum ebneten. Ein weiteres Argument: Es sei noch wenig über die Langzeitfolgen des Dampfens bekannt.

Ganz anders sehen das Wissenschafter aus den USA und Australien. Sie entwickelten zwei Szenarien, indem sie zunächst davon ausgingen, dass E-Zigaretten nur zwischen fünf und 40 Prozent der Risiken herkömmlicher Zigaretten in sich bergen. Sie berechneten daraufhin, welchen gesundheitlichen Effekt es hätte, wenn die meisten Tabakkonsumenten auf E-Zigaretten umsteigen würden. Der optimistischen Berechnung zufolge ließen sich 6,6 Millionen vorzeitige Todesfälle in den USA verhindern. Selbst in der pessimistischen Prognose würde mit einem Rückgang der frühzeitigen Todesfälle um 1,6 Millionen der positive Effekt überwiegen.

Negative Gesamtbilanz

Die Replik ließ nicht lange auf sich warten. Im Fachjournal "Plos One" stellten nun Forscher um Samir Soneji vom Dartmouth Institute ihre Berechnungen vor, in denen sie die potenziellen Vorteile und Schäden des E-Zigaretten-Konsums quantifiziert und in einer Simulation gegeneinander abgewogen hatten. In ihrem Berechnungsmodell gingen sie davon aus, dass E-Zigaretten um 95 Prozent weniger schädlich seien als Tabak. Die zentrale Frage lautete: Führen E-Zigaretten unterm Strich zu weniger Tabakkonsumenten? Das Ergebnis: Die Verwendung von E-Zigaretten könnte der Gesamtbevölkerung mehr schaden als nutzen, wenn aus jugendlichen E-Zigaretten-Dampfern später Zigarettenraucher werden.

Die Forscher prognostizierten anhand von Daten aus dem Jahr 2014, dass es einerseits in den USA im Jahr 2015 2.070 erwachsene Tabakraucher weniger gegeben haben müsste, weil sie zuvor auf E-Zigaretten umgestiegen waren. Auf der anderen Seite errechnete das Modell auch, dass unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen 168.000 Tabakraucher zu solchen geworden sein müssten, weil sie zuvor E-Zigaretten ausprobiert hatten und anschließend auf die normale Zigarette umgestiegen waren.

Demnach gewinnen die erwachsenen Ex-Raucher durch die Verwendung von E-Zigaretten statistisch rund 3.000 Lebensjahre. Allerdings verlieren die jugendlichen "neuen Zigarettenraucher", die über E-Zigaretten zum Tabakkonsum kamen, rund 1,5 Millionen Lebensjahre. Das Fazit der Studienautoren: In der Gesamtbilanz schadet der E-Zigaretten-Konsum der Gesamtbevölkerung.

Was Experten sagen

"Die Annahmen der vorliegenden Studie kann man durchaus kritisieren, da sie äußerst pessimistisch sind – sowohl hinsichtlich des Nutzens von E-Zigaretten in der Tabakentwöhnung als auch hinsichtlich der Rolle von E-Zigaretten als 'Einstiegsdroge' für einen späteren Tabakkonsum", sagt dazu Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg. Die Expertin zeigt sich vor allem skeptisch bezüglich der Annahmen, dass E-Zigaretten einen Rauchstopp eher verhinderten als begünstigten und diese einen Einstieg in den Tabakkonsum förderten. "Beides ist nicht eindeutig belegt", so die Expertin.

Ähnlich argumentiert Reiner Hanewinkel, Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung: "Derartige Modelle stehen und fallen natürlich mit den Annahmen, die ihnen zugrunde liegen. Daher ist genau zu prüfen, ob die Annahmen den derzeitigen Wissensstand der Wissenschaft gut widerspiegeln."

Katharina Diel von der Uni Heidelberg kann der aktuellen Diskussion aber durchaus positive Seiten abgewinnen: "Die Publikation unterstreicht, wovor viele Wissenschafter schon seit längerem warnen: Jugendliche finden E-Zigaretten interessant und attraktiv und entwickeln gegebenenfalls eine Nikotinsucht. Bei wie vielen Jugendlichen der Umstieg von der E-Zigarette zur Tabakzigarette tatsächlich stattfindet, ist aber schwer zu beziffern."

Weniger Schadstoffe

So viel ist sicher: Die Diskussion wird weitergehen. Zumindest so lange, bis aussagekräftige Langzeitstudien vorliegen. In einem Punkt ist sich die Wissenschaft aber mittlerweile einig. Der Dampf von E-Zigaretten enthält weniger schädliche Substanzen als Tabakrauch. Das bestätigten auch Forscher des britischen Krebsforschungsinstituts Cancer Research UK. Demnach konnten im Speichel und Urin ehemaliger Raucher, die vollständig auf E-Zigaretten umgestiegen waren, deutlich weniger toxische Chemikalien und Karzinogene nachgewiesen werden als bei Probanden, die nach wie vor regelmäßig zum Glimmstängel griffen. Ungefährlich ist der Dampf deshalb noch lange nicht. (red, 15.3.2018)