Marius Wernig, derzeit an der Uni in Stanford, ist seit 15 Jahren in den USA.

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STANDARD: Was bedeutet das Jubiläum 100 Jahre Republik für einen im Ausland tätigen Österreicher wie Sie?

Wernig: Österreich ist für den Amerikaner vergleichsweise nebensächlich. Das ist klar. Das Jubiläum erinnert mich aber, dass unsere Republik eine klare Identität entwickelt hat und selbst hier als solche erkannt und beachtet wird. Immer seltener muss man erklären, dass es bei uns keine Kängurus gibt, trotz der Ähnlichkeit des Wortes Austria mit Australia. Im Gegenteil, ich bin häufig überrascht, welches Detailwissen mir entgegengebracht wird – und üblicherweise wird Österreich in sehr positivem Licht gesehen. Manche Menschen hier haben natürlich sehr gemischte Gefühle gegenüber Österreich. Eine derartige Stimmung ist beim Gespräch mit Nachfahren von Menschen zu spüren, die das Land auf der Flucht vor den Nazis verlassen mussten. Abgesehen von dem unfassbaren persönlichen Leid wird einem dabei bewusst, wie stark der Fremdenhass und Antisemitismus Österreich seinerzeit zurückkatapultiert hat. Wien war einst eines der Zentren der Welt in Kultur, Wissenschaft und technischem Fortschritt, getrieben durch die damaligen Bewohner, die unterschiedlicher nicht sein konnten, ermöglicht von der Toleranz der Habsburgermonarchie. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie Wien sich entwickeln hätte können, hätte es nicht damals dieses geistige Potenzial verloren.

STANDARD: Was wünschen Sie sich für Österreich zum Geburtstag?

Wernig: Mehr Weltoffenheit. Leider ist es eine tiefsitzende menschliche Eigenschaft, andersartigen Menschen zu misstrauen. Das ist in Österreich stark spürbar. Der Grund, warum die USA so erfolgreich sind, ist: Die klügsten Köpfe aus der ganzen Welt wollen hierherkommen und werden meistens willkommen geheißen. In den 15 Jahren, in denen ich schon in Amerika bin, hat mich nie jemand abfällig behandelt. Ausländer zu sein oder einen Akzent zu haben ist kein Problem. Wir sind deswegen ewig dankbar und versuchen, unser Gastland so gut wie möglich zu unterstützen. Wenn Österreich geschickt ist, versucht es, derartige Vorteile aus der aktuellen Flüchtlingssituation zu ziehen.

STANDARD: Was braucht Österreich, um ein zukunftsfähiges Land zu sein?

Wernig: Entschlossene, persönliche Risikobereitschaft. Um an der Spitze zu bleiben, muss man dynamisch sein und sich dabei permanent verbessern. Es reicht ja nicht, sich auf den Errungenschaften auszuruhen. Man braucht persönlichen Einsatz und Optimismus jedes Einzelnen in jedem Bereich. Man sollte sich nicht auf den Staat verlassen. Die kombinierte Intelligenz eines ganzen Volkes kann nie von einigen wenigen Politikern erreicht werden. Alles ist möglich, wenn man will und es nur versucht. Wie sagt man so schön? "The sky is the limit."
(Peter Illetschko, 15.3.2018)