Die Staatspolizei bespitzelte unbescholtene Bürger.

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Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) mit seinen neun Landesämtern in den Bundesländern ist eine junge Polizeiabteilung. Es wurde 2002 im Zuge der Polizeireformen unter dem damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) gegründet und ist direkt der mächtigen Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit unterstellt. Erst im Sommer 2015 wurde das BVT mit seinen rund 500 Mitarbeitern durch das Staatsschutzgesetz auf eigene rechtliche Füße gestellt. Doch politische Interventionen, Skandale und Köpferollen in der Beamtenschaft sind immer wiederkehrende Kapitel im staatspolizeilichen Dienst der Zweiten Republik.

Die löchrigen Präsidentensocken

Legendär sind die löchrigen Socken von Bundespräsident Franz Jonas. Sie waren in einem Geheimdossier vermerkt, das die Staatspolizei, also die Vorläuferabteilung des BVT, in den 1960er-Jahren angelegt hatte. Ernster Hintergrund der heiteren Episode war der erste größere Spitzelskandal der Nachkriegsgeschichte, der zeigte, wie stark die Staatspolizei nach Ende des Zweiten Weltkriegs von den Nachrichtendiensten der Alliierten unterwandert waren.

Wie ausdauernd ausländische Dienste die Staatspolizei abschöpften, offenbarte 1998 ein Buch des ehemalige KGB-Archivars Wassili Mitrochin. In seinen Memoiren, die er unter dem Titel "The Sword and the Shield" veröffentlichte, berichtete Mitrochin, der zwölf Jahre lang KGB-Dokumente kopiert und nach seiner Pensionierung nach England schmuggelte, von 90 kommunistischen Spionen in österreichischen Behörden und Politbüros. Darunter auch Gustav Hohenbichler, der Vizechef der Wiener Staatspolizei, der unter dem Decknamen Zak dem KGB Informationen geliefert haben soll. Die Vorwürfe waren schon länger im Raum gestanden, Hohenbichler starb vor einer Klärung an Krebs.

Ein weiterer Spitzelskandal in den 1980er-Jahren betraf ganz normale Bürger. Staatspolizieichef Anton Schulz gab zu, dass Firmen die Durchleuchtung von Mitarbeitern bestellen konnten. Dazu kam, dass die Staatsschützer auch von Amts wegen zehntausende Akte über unbescholtene Bürger anlegten. Hans G. Zeger, Datenrechtsexperte und heute Mitglied des Datenschutzrates, gab in seinem 1991 erschienenen Buch "Alpen-Stasi" ein Beispiel: Ein Geologe, der im Burgenland beschäftigt war, wurde von einem Wirt, mit dem er in Streit geraten war, denunziert. Noch 15 Jahre später hieß es im Stapo-Akt des Geologen, dass er als "Geometer" verdächtige Landvermessungen nahe des Eisernen Vorhangs durchgeführt habe. "Völlig sinnlose und durch nichts zu rechtfertigende Aufzeichnungen über das Privatleben", urteilte Zeger damals – und tausende Bürger dachten ebenso.

In den frühen 1990er-Jahren gab der damalige Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) schließlich die berüchtigten Stapo-Akten frei. Rund 90.000 Bürger begehrten Einsicht, anschließend wurden die Akten offiziell vernichtet.

Angefacht von den ausländerfeindlichen Briefbombenanschlägen, die ab 1993 Österreich erschütterten, stellte Löschnak die Stapo neu auf. Zusätzlich wurde die Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT) gegründet, deren dritter Chef 1995 der heutige BVT-Direktor Peter Gridling wurde.

Keine guten Freunde

2002 – Gridling baute inzwischen bei Europol in Den Haag die Abteilung Terrorismusabwehr auf – wurde aus der Staatspolizei schließlich das BVT. In der Führungsebene war modernes Management und – nach den Anschlägen von 9/11 – eine internationale Ausrichtung hin zu einer geheimdienstähnlichen Abteilung mit Spionageabwehr wie beim Heer gefragt. Gert René Polli brachte beides mit, der erste BVT-Chef war zuvor zehn Jahre lang beim Heeresnachrichtenamt tätig gewesen.

Aber gute Freunde waren die militärische und die polizeiliche "Intelligence" noch nie, nach fünf Jahren war Polli als BVT-Chef Geschichte. Seine Gesprächsbereitschaft auch mit dem iranischen Geheimdienst soll vor allem den USA ein Dorn im Auge gewesen sein.

2008 kehrte Gridling als BVT-Chef nach Österreich zurück. An seinem Sessel wurde in den vergangenen Jahren immer wieder gesägt. Politische Kritik kam vor allem von der FPÖ, die Gridling unter anderem mitverantwortlich für Ausschreitungen bei Demos gegen den freiheitlichen Akademikerball machte. Aber auch intern wurde eifrig dokumentiert, wie die anonymen Vorwürfe zeigen, die bei der Staatsanwaltschaft landeten. (Michael Simoner, 14.3.2018)