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Das einzige Gespräch zwischen Hitler und Bundeskanzler Kurt (von) Schuschnigg am 12. Februar 1938 war der Auftakt zu Österreichs Untergang einen Monat später.

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Zu Beginn des Jahres 1938 war das katholisch-autoritäre Regime unter Kanzler Kurt Schuschnigg unter schwersten Druck geraten, sowohl von innen durch die heimischen Nazis wie von außen durch Hitler-Deutschland. In der Situation ließ sich Schuschnigg vom deutschen Botschafter Franz von Papen zu einer Unterredung am 12. Februar mit Hitler am Obersalzberg in Berchtesgaden verleiten. Diese Begegnung der beiden verlief katastrophal. Der katholisch-autoritäre Schuschnigg hatte dem rücksichtslosen Nationalsozialisten Hitler nichts als klägliche Beteuerungen der "deutschen Rolle" Österreichs entgegenzusetzen. Beim Folgenden handelt es sich um eine (gekürzte) Niederschrift Schuschniggs (aus: Kurt Schuschnigg. Ein Requiem in Rot-Weiß-Rot). Ein Dokument der hilflosen Beschwichtigungsversuche eines autoritären Antidemokraten gegenüber einem absoluten Gewaltsystem.

Ich: Dieser wundervoll gelegene Raum ist wohl schon der Schauplatz mancher entscheidenden Besprechung gewesen, Herr Reichskanzler.

Hitler: Ja – hier reifen meine Gedanken. – Aber wir sind ja nicht zusammengekommen, um von der schönen Aussicht und vom Wetter zu reden.

Ich: Ich möchte zunächst danken, Herr Reichskanzler, dass Sie mir die Gelegenheit zu dieser Aussprache gegeben haben ... Wir haben jedenfalls alles dazu getan, um zu beweisen, dass wir dem Sinn und Wortlaut des Abkommens (vom Juli 1936, Anm.) gemäß eine deutsche Politik zu führen entschlossen sind.

Hitler: So, das nennen Sie eine deutsche Politik, Herr Schuschnigg? Sie haben im Gegenteil alles dazu getan, um eine deutsche Politik zu vermeiden. Sie sind zum Beispiel ruhig im Völkerbund geblieben, obwohl das Reich austrat. Und das nennen Sie deutsche Politik?

Ich: Aus dem Völkerbund auszutreten hat niemand von Österreich verlangt ... ganz abgesehen davon, dass Österreich schon aus staatsfinanziellen Gründen aus dem Völkerbund nicht austreten könnte.

Hitler: Das ist ganz selbstverständlich, dass Sie auszutreten hatten. Übrigens hat Österreich überhaupt nie etwas getan, was dem deutschen Reich genützt hat. Seine ganze Geschichte ist ein ununterbrochener Volksverrat. Aber dieser geschichtliche Widersinn muss endlich sein längst fälliges Ende finden. Und das sage ich Ihnen, Herr Schuschnigg: Ich bin fest dazu entschlossen, mit dem allem ein Ende zu machen. Das deutsche Reich ist eine Großmacht, und es kann und wird ihm niemand dreinreden wollen, wenn es an seinen Grenzen Ordnung macht.

Ich: Ich kenne Ihre Auffassung über die österreichische Frage und die österreichische Geschichte, Herr Reichskanzler; aber Sie werden verstehen, dass ich hier grundlegend anderer Meinung bin. Für uns Österreicher ist die eigene Geschichte ein wesentliches und wertvolles Stück deutscher Geschichte gewesen, das sich aus dem gesamtdeutschen Bilde nicht wegdenken lässt. Und die österreichische nationale Leistung ist sehr beträchtlich.

Hitler: Gleich null! Das kann ich Ihnen sagen. Von Österreich aus bekam jede nationale Regung seit je nur Prügel zwischen die Füße; das war ja auch die Haupttätigkeit der Habsburger und der katholischen Kirche.

Ich: Trotzdem, Herr Reichskanzler, ist manche österreichische Leistung aus dem gesamtdeutschen Kulturbild unmöglich wegzudenken.

Hitler: Ich kann Ihnen nur nochmals sagen, dass es so nicht weitergeht. Ich habe einen geschichtlichen Auftrag, und den werde ich erfüllen, weil mich die Vorsehung dazu bestimmt hat. Ich bin felsenfest davon durchdrungen und glaube daran. Ich bin gottesgläubig und religiös, wenn auch nicht in einem kirchlich gebundenen Sinne. Denken Sie an den Weg, den ich genommen habe. Heute gibt es keine Parteien, Klassen, Zersplitterungen mehr im deutschen Volke. Alle wollen dasselbe. Wer nicht mittut, kommt unter die Räder. Schauen Sie sich in Deutschland um, Herr Schuschnigg, und Sie werden nur einen Willen finden. Mir war meine Aufgabe vorgezeichnet; ich bin den schwersten Weg gegangen, den je ein Deutscher gehen musste, und ich habe in der deutschen Geschichte das Größte geleistet, was je einem Deutschen zu leisten bestimmt war. Und zwar nicht mit Gewalt. Ich bin getragen von der Liebe meines Volkes.

Ich: Das glaube ich Ihnen ja gerne, Herr Reichskanzler!

Hitler: Ich könnte mit dem gleichen und noch mit viel mehr Recht mich als Österreicher bezeichnen als Sie, Herr Schuschnigg! Versuchen Sie es doch einmal, und machen Sie eine freie Volksabstimmung in Österreich, in der Sie und ich gegeneinander kandidieren; dann werden Sie sehen!

Ich: Ich sehe die Dinge anders. Wir müssen nun einmal nebeneinander leben; der Kleine neben dem Großen. Wir haben gar keine andere Wahl. Darum bitte ich Sie, die konkreten Beschwerden mir zu sagen. Wir werden alles dazu tun, um Abhilfe zu schaffen und, soweit es irgend an uns liegt, das freundschaftliche Einvernehmen herzustellen. Wir wollen ja gar nichts anderes als leben, um dabei unseren deutschen Beitrag wie eh und je in Mitteleuropa zu leisten.

Hitler: Das sagen Sie, Herr Schuschnigg. Ich sage Ihnen, ich werde die ganze sogenannte österreichische Frage lösen, und zwar so oder so! ... Ich brauche nur einen Befehl zu geben, und über Nacht ist der ganze lächerliche Spuk an der Grenze zerstoben. Sie werden doch nicht glauben, dass Sie mich auch nur eine halbe Stunde aufhalten können? Wer weiß – vielleicht bin ich über Nacht auf einmal in Wien; wie der Frühlingssturm! Dann sollen Sie etwas erleben! Ich möchte es den Österreichern gerne ersparen; das wird viel Opfer kosten; nach den Truppen kommt dann die SA und die Legion; und niemand wird die Rache hindern können, auch ich nicht!

Ich: Ich weiß natürlich, dass Sie in Österreich einmarschieren können; aber, Herr Reichskanzler, ob wir es wollen oder nicht – das wird ein Blutvergießen geben; wir sind nicht allein auf der Welt. Das bedeutet wahrscheinlich den Krieg."

Hitler: Das sagt sich sehr leicht; jetzt, wo wir beide in Klubsesseln sitzen. Aber dahinter steht eine Unsumme von Leid und Blut. Das wollen Sie auf lhre Verantwortung nehmen, Herr Schuschnigg? Glauben Sie nur nicht, dass mich irgend jemand in der Welt in meinen Entschlüssen hindern wird! Italien? – Mit Mussolini bin ich im Reinen; ich bin mit Italien aufs Engste befreundet. England? England wird keinen Finger für Österreich rühren. Und Frankreich? Jetzt ist es für Frankreich zu spät! Alle Welt muss wissen, dass es für eine Großmacht einfach unerträglich ist, wenn an ihren Grenzen jeder kleine Staat glaubt, sie provozieren zu können. Ich habe lange genug untätig zugesehen. Weil ich immer noch hoffte, dass die Vernunft die Oberhand bekäme. Aber das ist einfach unmöglich, dass in Österreich einer, bloß weil er ein Lied singt, das Ihnen nicht passt, oder "Heil Hitler" sagt, ins Gefängnis kommt. Die Verfolgung der Nationalsozialisten muss ein Ende haben, sonst werde ich ein Ende machen.

Ich: In Österreich wird niemand verfolgt, der sich nicht gegen die Gesetze vergeht. Im Übrigen gibt es jetzt keine Nationalsozialistenverfolgung in Österreich. Und ohne den 25. Juli 1934 wären wir überhaupt längst im Reinen.

Hitler: Sie haben recht, Herr Bundeskanzler – ich anerkenne, dass Dollfuß zwischen uns steht! Ich erkläre Ihnen, dass ich von dem Attentat nichts wusste und dass ich die Vorgänge damals nicht wollte. Aber glauben Sie mir, dass Sie Planetta justifizieren ließen, war ein Fehler. (Otto Planetta, Mörder von Kanzler Dollfuß beim Nazi-"Juli-Putsch" im Jahr 1934; die neuere historische Forschung geht von Hitlers Mitwisserschaft aus. Anm.)

Ich: Damals hätte niemand anders handeln können.

Hitler: Ich kenne die Lage in Österreich besser als Sie. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht beschworen werde, endlich einzugreifen.

Ich: Vielleicht würden Sie an Ort und Stelle anders denken, Herr Reichskanzler, Sie kennen ja Wien.

Hitler: Das ist sehr lange her.

Ich: Seither waren Herr Reichskanzler niemals in Österreich?

Hitler: Die österreichische Regierung hat mir ja die Einreise verboten. Einmal war ich vor Jahren noch nachts in Wien – und dann heimlich am Grabe meiner Eltern; so behandelt man mich.

Ich will Ihnen jetzt noch einmal, zum letzten Mal, die Gelegenheit geben, Herr Schuschnigg. Überlegen Sie es sich gut, Herr Schuschnigg – ich habe nur mehr Zeit bis heute Nachmittag. Wenn ich Ihnen das sage, dann tun Sie gut daran, mich wörtlich zu nehmen. Ich bluffe nicht. Meine ganze Vergangenheit beweist dies zu Genüge. Ich habe noch alles erreicht, was ich wollte, und bin vielleicht dadurch zum größten Deutschen der Geschichte geworden. Ich gebe Ihnen die einmalige Gelegenheit, Herr Schuschnigg, dass Sie auch Ihren Namen in die Reihen der großen Deutschen einfügen können.

Nach einer längeren Pause die Kapitulation:

Hitler: Ich habe mich entschlossen, einen allerletzten Versuch zu unternehmen, Herr Schuschnigg. Hier ist der Entwurf. Verhandelt wird nicht; ich ändere keinen Beistrich. Sie haben entweder zu unterschreiben, oder alles Weitere ist zwecklos, und wir sind zu keinem Ergebnis gekommen; ich werde dann im Laufe der Nacht meine Entschlüsse zu fassen haben.

Ich: Ich bin vom Inhalt informiert und kann bei der gegebenen Sachlage nichts anderes tun, als ihn zur Kenntnis zu nehmen. Ich bin auch bereit zur Unterschrift.

Kurt Schuschnigg ließ sich auf weitgehende Zugeständnisse ein (ein Austro-Nazi als "Sicherheitsminister"!). In den nächsten Tagen entschloss er sich als letzten Ausweg zu einer Volksabstimmung über ein "deutsches (!) und freies" Österreich. Das konnte Hitler nicht zulassen. Unter Einmarschdrohung und einem Aufstand der Nazis trat Schuschnigg am Abend des 11. März 1938 zurück. Er wurde mit seiner Familie als "Schutzhäftling" gehalten und entging zu Kriegsende nur knapp seiner Ermordung. (Hans Rauscher, 11.3.2018)