Was bisher nur in Fotomontagen zu sehen ist, könnte bald Realität werden. Das Weiße Haus bestätigte am Freitag, dass US-Präsident Donald Trump eine Einladung von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un zu einem Treffen annehmen will.

Foto: AFP / Jung Yeon-je

Die Volte des Donald Trump, sie wirkt umso sensationeller, wenn man bedenkt, was ihr vorausgegangen war an rhetorischen Scharmützeln. Es ist erst sieben Monate her, da sprach er von Feuer und Zorn, von der alles vernichtenden Antwort, die er geben werde, falls Nordkorea seine nuklearen Angriffsdrohungen wahrmache. Dann war Kim Jong-un der "Raketenmann", der sich auf selbstmörderischer Mission für sich und sein Regime befinde. Und nun die Wende, von Trump scheinbar ebenso spontan eingeläutet, wie er im August in seinem Golfclub in New Jersey das Szenario von "Fire and Fury" heraufbeschworen hatte.

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So wie es sein Pressestab schildert, holte der US-Präsident den südkoreanischen Emissär Chung Eui-yong am Donnerstag kurzerhand ins Oval Office, als er erfuhr, dass der Gast, den er am nächsten Tag treffen sollte, im Westflügel des Weißen Hauses Gespräche führte. Chung, wenige Tage zuvor in der Rolle des Krisenmanagers nach Pjöngjang gereist, übermittelte das Angebot Kim Jong-uns, sich mit Trump zu treffen. Und der sagte sofort zu.

Laut US-Vizepräsident Mike Pence werde die Strategie des "maximalen Drucks" und die US-Sanktionen fortgesetzt, bis Nordkorea "konkrete, dauerhafte und überprüfbare Schritte zur Beendigung seines Atomprogramms ergreift". Das Weiße Haus gehe zudem davon aus, dass auch China die Sanktionen gegen Pjöngjang aufrechterhalten werde.

Schnelle Wendung

Die Sequenz der Ereignisse ist schon deshalb relevant, weil sie illustriert, besser: aus Sicht der Washingtoner Regierungszentrale unbedingt illustrieren soll, zu welch schnellen Wendungen Trump in der Lage ist. Dessen Anhänger vergleichen es bereits mit dem China-Coup, den sein Vorvorgänger Richard Nixon landete, als er 1972 überraschend nach Peking flog, um das Eis schmelzen zu lassen. Doch wenn es das eine Motiv gibt, das Trumps jähen Entschluss am ehesten erklärt, dann ist es der offenbar durch nichts zu erschütternde Glaube an die eigenen Fähigkeiten. Allein durch Willenskraft und Verhandlungsgeschick, scheint er zu glauben, kann ihm gelingen, woran erst Bill Clinton, dann George W. Bush und schließlich Barack Obama gescheitert waren: die Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel.

Das Genie, das nun auch in der Politik anwendet, womit er im harten Immobiliengeschäft New Yorks Erfolg hatte: So verkaufte sich Trump der Wählerschaft, als ihn die Republikaner zum Präsidentschaftskandidaten kürten. Er allein könne die Probleme des Landes lösen, war damals, im Sommer 2016, sein Schlüsselsatz. Einmal im Amt gab er vor, das Konfliktknäuel des Nahen Ostens binnen eines Jahres aufdröseln zu können. Bislang ist der Ankündigung an praktischen Taten nicht viel gefolgt, und nun fürchten Skeptiker, im Falle Nordkoreas könnte der Kontrast ähnlich krass ausfallen.

Warnung vor Täuschungsmanöver

Wendy Sherman, eine Diplomatin, die schon unter Clinton in Pjöngjang verhandelte, hat es in der New York Times mit einem gewissen Sarkasmus kommentiert. "Wir reden von Politikern, die beide im tiefsten Innersten glauben, dass sie die einzigen Menschen sind, die eine Rolle spielen." Diplomatie sei etwas Positives, so Sherman. Nur gehe es hier um eine Variante der Diplomatie, die man aufs Gründlichste vorbereiten müsse: "Das hier ist keine Reality-Show."

Christopher Hill, ein Veteran des langwierigen Dialogs mit Nordkorea, plädiert dagegen dafür, eine Chance zu nutzen, die nicht so oft wiederkehre. Nach Jahrzehnten frustrierender Verhandlungen müssten die USA der Versuchung widerstehen, nichts zu tun, "denn von allein wird sich die Gefahr nicht in Luft auflösen". Andere warnen davor, einmal mehr auf ein Täuschungsmanöver Pjöngjangs hereinzufallen.

In den Neunzigerjahren war es Clinton, der derartige Erfahrungen machen musste. Nordkorea versprach sein Plutonium-Waffen-Programm einzufrieren, wurde dann aber bei der Urananreicherung ertappt. Später, der Widerpart im Oval Office hieß Bush, bekannte es sich zur Denuklearisierung, nur um kurz darauf seine erste Atombombe zu testen.

Clinton sagte Besuch ab

Clinton übrigens war gegen Ende seiner Amtszeit drauf und dran, als erster US-Präsident in das abgeschottete asiatische Land zu reisen. Dann aber machte er einen Rückzieher, weil der damalige Machthaber Kim Jong-il nicht schon im Vorfeld Garantien für einen Deal geben wollte. Der Vater Kim Jong-uns bestand darauf, die entscheidenden Streitfragen erst im Vieraugengespräch zu klären. Worauf der Amerikaner, wohl auch aus Angst vor einer Blamage, die Sache abblies. (Frank Herrmann aus Washington, 9.3.2018)