STANDARD: Vergangene Woche wurden im Nationalrat im Rahmen einer Novelle zum Unigesetz (UG) Zugangsbeschränkungen für Jus, Erziehungswissenschaften und Fremdsprachen beschlossen. Diese gelten ab Herbst 2019 zusätzlich zu den Beschränkungen in Medizin, Sport, Kunst, Psychologie, Architektur, Biologie, Informatik, Wirtschaftswissenschaften, Pharmazie und Publizistik. Was spricht dafür, in immer mehr Fächern die Studienplätze zu beschränken?

Faßmann: Ich würde gern versuchen, Frau Lutz von den positiven Aspekten zu überzeugen ...

Lutz: ... Wir werden sehen.

Faßmann: Zweifellos positiv ist, dass es mit der UG-Novelle mehr Geld für die Unis gibt. Das Zweite ist, dass das Geld nicht irgendwie verteilt wird und im System zerrinnt, sondern zielorientiert verwendet werden muss, um die Studienbedingungen zu verbessern.

"Schauen wir sie uns doch einmal an", versucht Wissenschaftsminister Heinz Faßmann die Hochschülerschafts- vorsitzende Hannah Lutz von den neuen Unizugangsbeschränkungen zu überzeugen. Sie hingegen wendet ein: "Mir ist lieber, man macht Regelungen, von denen man weiß, dass sie zum Vorteil der Studierenden sind."
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Was braucht es, um Studienbedingungen zu verbessern?

Faßmann: Es braucht Verbesserungen der Infrastruktur und der Labore, und man muss zusätzliche Professoren und Professorinnen anstellen. Zusätzlich benötigt man auch eine gewisse Stabilität, weil Infrastrukturen immer eine zeitliche Planbarkeit benötigen, das betrifft vor allem Studienplätze in den Naturwissenschaften. Die Frage ist, was passiert, wenn mehr kommen, als Studienplätze vorhanden sind. In diesen Fällen braucht es ein Zugangsmanagement. Das betrifft nicht flächendeckend alle Fächer, und das ist auch nicht der Beginn der neoliberalen Universität, wie die ÖH in einer Aussendung geschrieben hat. Ich komme aus der Fakultät für Geowissenschaften, Geografie und Astronomie. Dort hätte man sich alle zehn Finger abgeschleckt, mehr Studierende zu haben – mit guten Jobaussichten. Da werden wir kein Zugangsmanagement brauchen, weil die Massen nicht kommen.

STANDARD: Hat die Novelle auch mögliche unerwünschte Nebenwirkungen, die man beobachten muss?

Faßmann: Man muss im Auge behalten, dass die autonomen Universitäten die zusätzlichen Ressourcen sinnvoll und studierendenorientiert einsetzen.

Lutz: Wir sehen die UG-Novelle naturgemäß nicht ganz so positiv. Wir begrüßen das Bekenntnis, dass die Unis mehr Geld brauchen und dass mehr Geld ins System fließt. Das ist lange überfällig gewesen, darüber freuen wir uns sehr. Die negativen Auswirkungen sind aber die nun neu eingeführten Zugangsbeschränkungen.

"In Jus beträgt die Dropout-Quote 70 Prozent. Es ergibt keinen Sinn, so zu tun, als ob das eine befriedigende Situation wäre", sagt Wissenschaftsminister Heinz Faßmann.
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STANDARD: Wie sollten die Unis aus Sicht der Hochschülerschaft (ÖH) sonst mit den begrenzten Ressourcen haushalten?

Lutz: Es hapert daran, dass man den Leuten den Zugang zu einem Studium verwehrt, anstatt andere Möglichkeiten aufzuzeigen und ihnen die Entscheidung selbst zu überlassen. Das ist etwas, was wir schon lange einfordern: mehr in die Studienorientierung stecken. Das fehlt uns bei dieser Novelle. Durch die Zusammenlegung der Ministerien haben wir die Hoffnung, dass der Übergang von der Schule zur Hochschule besser gestaltet wird. Bis dato mussten wir uns dabei immer auf die Kompetenz eines anderen Ministeriums vertrösten lassen.

Faßmann: Dabei würde ich Ihnen sofort zustimmen, dass diese Schnittstelle und die Orientierung verbessert werden müssen.

STANDARD: Hat die ÖH weitere Kritikpunkte an der Novelle?

Lutz: Was uns an dieser Novelle fehlt, sind Maßnahmen, die wirklich ins Unileben hineingehen. Wir haben jetzt sehr viel an der Fassade der Universitäten gemacht: Wer darf in die Universität hinein, wie sieht es mit Studiengebühren aus. Doch es wurde nicht betrachtet, wie es in der Universität läuft. Wir werden eine bessere Studierbarkeit an den Unis einmahnen. Es nützt nichts, die Unis außen neu anzumalen, wenn innen alles beim Alten bleibt.

Faßmann: (Seufzt.) Manchmal bedient sich die ÖH wirklich eines politischen Jargons. Das beinhaltet eine Übertreibung und eine Prognose von Dingen, von denen man nicht weiß, ob sie auch so eintreten werden. Aber das gehört wahrscheinlich zu Ihrem politischen Geschäft dazu – das ist offensichtlich sehr viel mehr Ihr Geschäft als meines. Ich habe nie gesagt, dass die Unis ohne Tadel sind oder dass nichts zu verbessern ist. Ich habe schlicht gesagt: Da ist eine wesentliche Weichenstellung getätigt worden. Und wenn Sie sagen, da ist nur angefärbt worden, dann ist das eine Übertreibung. Denn es ist mehr als nur oberflächlich angefärbt worden, es ist ein neues Verteilungsmodell implementiert worden. Das ist eine tiefe Veränderung.

Lutz: Was wir sagen, ist ja nicht aus der Luft gegriffen. Für unsere Sorgen, dass die soziale Durchmischung durch Zugangsbeschränkungen schlechter wird, gibt es konkrete Beispiele.

Wissenschaftsminister Heinz Faßmann findet, die ÖH bediene sich eines "politischen Jargons". Für ÖH-Vorsitzende Hanna Lutz sind die Argumente aber "nicht aus der Luft gegriffen".
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STANDARD: Können Sie Zahlen dazu nennen?

Lutz: Im Medizinstudium ist der Prozentsatz derer, die nicht aus einer Akademikerfamilie kommen, in dem Jahr um zehn Prozent gesunken, als die Zugangsbeschränkungen eingeführt worden sind – das ist eindeutig auf diese zurückzuführen. Hinzu kommt, dass es zu Verdrängungseffekten kommen wird und dann weitere Fächer beschränkt werden.

Faßmann: Ich würde sagen, schauen wir uns das doch einmal an!

Lutz: Also mir ist lieber, man macht Regelungen, von denen man weiß, dass sie zum Vorteil der Studierenden sind, als man schaut es sich nachher an und kommt dann drauf, dass das vielleicht jetzt doch eher geschadet hat.

Faßmann: Das ist mein Punkt. Sie prognostizieren eine Zukunft, die man nicht prognostizieren kann. Ich würde jedenfalls meinen, dass das Zugangsmanagement in den zusätzlichen Fächern Sinn ergibt. In Jus zum Beispiel beträgt die Dropout-Quote 70 Prozent. Es ergibt keinen Sinn, so zu tun, als ob das eine befriedigende Situation wäre. Da ist es besser, die Universitäten können Verantwortung wahrnehmen. Auch dürfen die Unis per Gesetz ohnehin nicht allein Plätze beschränken, sondern nur gemeinsam mit dem bösen Minister. (Schmunzelt.)

Lutz: Jetzt ist aber mit Ihnen die Polemik durchgegangen.

Faßmann: Ja, ich hoffe, das werden Sie mir ab und zu gestatten.

STANDARD: Herr Minister, können Sie der Forderung der ÖH, Curricula studierendenfreundlicher zu gestalten, etwas abgewinnen?

Faßmann: Ja, das müssen wir uns immer wieder überlegen, denn das ist ein stetiger Prozess. Als Universitätsprofessor weiß ich, wie Curricula zustande kommen: Man versucht, seine fachspezifischen Interessen durchzusetzen, und dabei überschätzt man das Eigene und unterschätzt das Gemeinsame – nämlich was es bedeutet, mit anderen Fächern ein Curriculum zu bilden. Da wird oft zu viel hineingepackt – da stimme ich Frau Lutz sofort zu.

STANDARD: Kommen wir zu einem anderen Thema: In einigen Fächern gibt es einen sehr hohen Anteil an Studierenden aus Deutschland. Länder in vergleichbarer Situation, etwa die Benelux-Staaten, haben sich auf Ausgleichszahlungen geeinigt – halten Sie das für einen attraktiven Ansatz?

Faßmann: Prinzipiell ja, aber meine Vorgänger haben bereits versucht, Ausgleichszahlungen von Deutschland zu bekommen, sie waren dabei nicht erfolgreich. Es wird auf die Niederlassungsfreiheit in der EU rekurriert und darauf, dass auch österreichische Studierende in Deutschland studieren. Ich werde das daher nicht versuchen. Ich sehe den Zuzug von ausländischen Studierenden auch nicht negativ. Es war mir gleichzeitig immer ein Anliegen, Studierende, die in Österreich sind, nicht durch strukturelle Maßnahmen nach dem Abschluss hinauszudrängen – wie es etwa bei der Rot-Weiß-Rot-Karte der Fall war, die bestimmte Studienabschlüsse nicht beinhaltet hat. Darum war ich auch sehr froh, dass wir jetzt Doktorats- und Bachelorabschlüsse in der Rot-Weiß-Rot-Karte berücksichtigt haben.

STANDARD: Welche zusätzlichen Maßnahmen sind notwendig, um Uniabsolventen im Land zu halten?

Faßmann: Am stärksten ist die Abwanderung bei Medizinabsolventen. Das hat viele spezifische Gründe: die Bezahlung, wie kompliziert es ist, die Facharztausbildung zu machen, welche Position man als fertiger Arzt in einem Krankenhaus einnimmt und wie stark die Hierarchien dort ausgeprägt sind. Diese Faktoren gilt es zu verbessern, und das ist Sache des Gesundheitsministeriums.

STANDARD: Wären für Absolventen aus Nicht-EU-Ländern weitere Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte hilfreich?

Faßmann: Das entscheidet das Innenministerium. Noch sind etwa die Einkommensgrenzen für manche Absolventen zu hoch. Eine Frage ist auch die Form, wie man in den Arbeitsmarkt einsteigt: Hat man sofort eine Vollanstellung oder mehrere Anstellungen parallel?

"Uns ist wichtig, dass unsere politische Arbeit nicht eingeschränkt wird. Wir wollen uns äußern und unseren Unmut kundtun", betont ÖH-Vorsitzende Hannah Lutz.
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STANDARD: Zurück zu Ihrem Zuständigkeitsbereich: Im Regierungsprogramm wurden neue Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten der ÖH beschlossen. Warum braucht es diese?

Faßmann: Ich habe kürzlich darüber mit der ÖH gesprochen ...

Lutz: Uns ist wichtig, dass unsere politische Arbeit nicht eingeschränkt wird. Zu einer Mietrechtsberatung gehört, dass wir uns auch dafür einsetzen, dass das Mietrecht besser wird. Wenn wir Arbeitsverträge von jungen Studierenden prüfen, gehört dazu, dass wir uns für mehr Schutzbestimmungen im Arbeitsrecht einsetzen. Und auch zur Einführung von Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren wollen wir uns äußern und unseren Unmut kundtun. Es ist paradox, dass es hier Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten vonseiten des Ministeriums geben soll, wenn wir als Gegenüber fungieren und verhandeln. Ich weiß nicht, ob es eine Diskussion auf Augenhöhe ist, wenn das Ministerium hier zusätzliche Kontrollrechte bekommt.

Faßmann: Ich finde das durchaus vernünftig, was Sie sagen.

Lutz: Darum geht es auch: Es hängt von der Einzelmeinung des jeweiligen Ministers ab. Wenn Sie sagen, das ist für Sie vernünftig, bedeutet das nicht, dass Ihr Nachfolger das ähnlich sieht.

Faßmann: Aber diese Kontrollrechte werden nicht die freie Meinungsäußerung betreffen. Das ist unbenommen. Sie beziehen sich darauf, wofür Mittel verwendet werden. Das Café Rosa ist ein Beispiel, wo man Geld in den Sand gesetzt hat, und es ist sicher ein Grund für diese Regelung.

Die ÖH sieht es als Teil ihrer Arbeit als Interessensvertretung auch auf die Straße zu gehen. Für Heinz Faßmann ist klar: "Wenn öffentliche Gelder dafür verwendet werden, ist das problematisch."
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STANDARD: Die ÖH organisiert zudem Demonstrationen. Etwa beteiligt sie sich an den Protesten gegen den Wiener Akademikerball. Fällt das unter Interessenvertretung?

Lutz: Auf jeden Fall. Wenn ich aus der Hochschule rauskomme, ist es nicht so, dass mich nichts anderes mehr interessiert. Wenn man betrachtet, wer aller in den Unirat nominiert wurde, ist das alarmierend und legitimiert dazu, auch auf der Straße seine Meinung zu äußern.

Faßmann: Ein Demonstrationsrecht ist wie das Meinungsrecht unbenommen. Dass man als ÖH finanzielle Ressourcen dafür einsetzt, dass eine Demonstration zustande kommt, das würde ich für problematisch halten.

Lutz: Bei der letzten Demo, auf der wir als ÖH waren, haben wir etwa fünf Warnwesten, ein paar Müsliriegel und Mineralwasser gekauft. Hier gibt es keine großen Finanzierungsströme.

Faßmann: Wenn öffentliche Gelder dafür verwendet werden, ist das problematisch. (Interview: Oona Kroisleinter, Tanja Traxler, 11.3.2018)