1. Auf der Chuzpe beharren

Das Wesentliche vorab: Granderwasser ist ein aus dem Esoterik-Milieu stammender, parawissenschaftlicher Unfug. Das darf man seit dem Jahr 2006 sagen. Und man soll es sagen, denn um diese Frage drehte sich ein mehrjähriger Prozess. Den hatte das Unternehmen Grander gegen einen Biologen angestrengt, der pointiert anzweifelte, dass das Unternehmen Wasser "belebt". In dem Disput bekam der Wissenschafter Erich Eder Recht, die Klage des Wasserbelebungsunternehmens bedrohte den Universitätslektor allerdings in seiner Existenz. Dass man auf die Wirkungslosigkeit des Granderwassers hinweisen darf, ficht das Marketing-Narrativ des Unternehmens freilich kaum an. Grander kleckert hingegen nicht, was die angebliche und segensreiche Wirkung des gleichnamigen Wassers betrifft.     

2. "Technologie" vorgaukeln

Die "Technologie" von Grander auf den Punkt gebracht: Das Wasser ist ob der langen Reise von der Quelle bis in unsere Wohnung etwas erschöpft und verwirrt. Ein Grandergerät in der Wasserleitung haucht dem Wasser, ehe es an unseren Mund oder in die Kochtöpfe oder in die Badewanne gelangt, neues Leben ein. In dem Grandergerät ist nämlich "Informationswasser" – offenbar eine Art Grandermusterwasser – eingeschlossen. Dieses Wasser "höherer Ordnung" kommt zwar mit unserem mittlerweile schlappen Trinkwasser in keiner Weise in Berührung, aber es grüßt unser Pöbel-Nass vermutlich beim Vorbeifließen recht herzlich und weckt es auf. Das ist der ganze Zauber, Grander nennt das "Informationsübertragung". Ich möchte anmerken: Eher riecht man auf der Wiener Südosttangente zur Hauptverkehrszeit den Furz eines Kaninchens in Sibirien, als dass "Informationen" auf diese Weise auf Leitungswasser übertragen werden.

Die Herstellung des sagenumwobenen Granderwassers ist Betriebsgeheimnis.
Foto: www.istockphoto.com/at/portfolio/mheim3011

3. Ein wenig Geheimniskrämerei

Appropos Geheimnis: Das Grandermusterwasser ist – ein wenig wie das Rezept für Coca Cola – ein Geheimnis der Familie Grander. Auch auf der Webseite des Wasserbelebungsunternehmens sickert nur wenig zur Grandermusterwasserproduktion durch: "Durch jahrelange Experimentier- und Forschungsarbeit ist Johann Grander zu der Erkenntnis gekommen, dass Wasser die Fähigkeit zur Informationsübertragung besitzt. Diese Informationsübertragung von Wasser auf Wasser stellt eine physikalische Einzigartigkeit dar und wurde von Johann Grander erstmals in dieser Form nutzbar gemacht."

An anderer Stelle und sehr diskret ist von Experimenten mit "Magnetmotoren" die Rede, die das 2012 verstorbene Mastermind Johann Grander sen. bei der Forschung eingesetzt hätte.

Bei einer Gerichtsverhandlung in Kitzbühel im Jahr 2005 sagte Grander, dass "die Entstehung von Granderwasser auf seine guten Verbindungen zu Gott" zurückzuführen seien und dass ihm "vor 30 Jahren Jesus Christus erschienen sei." Dass sich auf der Webseite des Unternehmens heute kaum mehr Bezüge zu der religiösen Genese der wunderbaren Belebungstechnologie finden, mag einen simplen, zielgruppenbewussten Grund haben. Die kaufkraftstarken Eso-Bobos mögen zwar 12,10 Euro für einen Liter Granderwasser springen lassen, sind von katholisch-wunderlichen Frames aber vermutlich kaum angetan.

Wir treuen Kunden werden zum wahren Wesen des Wunderwassers im Dunkeln gelassen und wir könnten darüber feixen, ob Gott und Gottes Sohn einem Tiroler geraten haben, Wasser mit einem magnetmotorbetriebenen Mixer zu quirlen, um die Menschheit damit zu bespaßen. 

Johann Grander sen., Erfinder des Granderwassers durch eine Eingebung Jesu.
Foto: Apa/Werner Krug

4. Forschungserfolge konstruieren   

Grander überraschte seine Facebook-Freunde am 23. Juni 2014 mit dem Hinweis auf die Berichterstattung im Wissenschaftsteil der "Presse". Dort war ein Interview mit dem Leiter der Forschung- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens abgedruckt, der Titel "Wasser kann Informationen speichern" suggerierte einen Durchbruch, Beweise, Evidenzen. Der kleine Schönheitsfehler des geposteten Zeitungs-Screenshots: Der Beitrag in der der Rubrik "Neues Wissen" war ein simples Inserat in beitragsähnlichem Layout. Anders gesagt: Hier könnte der Forschungsleiter von Grander auch erzählen, dass der gute alte Meister Geppetto seinen Pinoccio mit belebtem Wasser zum Leben erweckt und zum Tanz geschickt hat. Der verantwortliche Wissenschaftsredakteur stellte auf Anfrage klar: Die Redaktion hat damit nichts zu tun. 

"Berichterstattung" mit Schönheitsfehler: Der Artikel in der "Presse" war ein Inserat. 

Grander wird damit keinen Preis für Wissenschafts-PR erhalten, für ein Ehrenkreuz für Wissenschaft (sic!) und Kunst der Republik Österreich reicht es. Den erhielt Johann Grander sen. im Jahr 2001. Der Widerstand aus den Reihen der Universitäten war verständlich, doch vergeblich. Ein Aberkennungsantrag von SPÖ, FPÖ und Grünen scheiterte im Jahr 2008 im Parlament an ÖVP-Minister Johannes Hahn. Das Unternehmen schmückt sich weiterhin kokett mit der Auszeichnung. Ich merke an: Dem Unternehmen gebührt ein Preis, allerdings einer fürs Marketing.

5. Verzichte auf komplexe Erklärungen

Das Esoterik-Wiki "Psiram" listet rund 130 Wasserbelebungsanbieter an. Der Fantasie der Wasserzauberer sind kaum Grenzen gesetzt: Simple Vorrichtungen, die Wasser mechanisch verwirbeln, basisches Kangen-Wasser, von Mond, Strom, Magneten oder Edelsteinen betörtes Wasser und eine Menge eher simpler Granderkopien konkurrieren um die Gunst des Kunden.

Doch aus der Menge der zum Teil verwirrenden oder verstörenden "Technologien" heraus sticht der Marktführer Grander. Der Kunde wird nicht mit Formeln und Kausalitäten und Frequenzberechnungen gequält und er muss sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob basisches Wasser im sauren Milieu seines Magen für unnötige Verwirrung sorgt. Ein schickes Corporate Design und die schlanke Botschaft: Wir wissen, wie es geht, das reicht! Und: Granderanlagen sind wartungsfrei. So wird man Marktführer. 

6. Lass dich von den Kunden verteidigen

Wer Granderwasser hat, hat eine Gewissheit: Er hat simples Leitungswasser. Und Grander hat die Gewissheit: Der Kunde wird das Produkt in der Regel wortreich verteidigen. Allfällige und skeptische Geister, die neugierig nach dem Nutzen des Wasserbelebungsgeräts fragen, werden hören, was der Wasserbeleber als Referenz verbuchen kann: Seit es Granderwasser im Haus gibt, welken die Rosen im Garten später, trinkt der Hund fröhlicher den Trinknapf leer, der Geschirrspüler verkalkt spürbar weniger, und die Kinder trinken jetzt mit solcher Freude frisches Granderwasser und halten sich bei gar bei den Limonaden zurück. Andersrum, wer würde schon zugeben: Ich habe viel Geld für die Wasserbelebung ausgegeben und merke keinen Unterschied.    

Was für private Kunden gilt, gilt auch für gewerbliche Kunden oder gar öffentliche Einrichtungen. Dass Kommunen, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen, Geld für die "Belebung" des Schwimmbadwassers ausgeben, zeigt vor allem eines: Der Grandervertrieb ist mit allen Wassern gewaschen. Und so steigt von Jahr zu Jahr die Anzahl der Bürgermeister, die mit einem Brustton der Überzeugung vom nun wundersam gesunkenen Chlorverbrauch im gemeindeeigenen Bad, weniger Wartungsbedarf und von langsamer verkalkenden Rohren und Apparaturen und so fort berichten. Ich merke an: Was sollen sie sonst sagen?

7. Kenne keinen Genierer: Grander im Krankhaus

Die spektakulärsten Coups sind dem Granderaußendienst in öffentlichen Krankenhäusern gelungen. Einrichtungen, die sich höchsten wissenschaftlichen Standards verpflichtet sehen und deren Kosten von den Shareholdern minutiös durchleuchtet werden, eine Granderanlage zu verkaufen, das setzt Fortune und Chuzpe voraus. Die Ärzte rollen – darauf angesprochen – die Augen, der Patient ist verdutzt. Kann er sich doch tatsächlich in den Landeskrankenhäusern Steyr und Rohrbach an "gesundem Granderwasser" aus der Leitung laben, das "von der Qualität her frischem Quellwasser entspricht", dank einer "entsprechenden Aufbereitung".

Wir wollen nur hoffen, dass das Wasser in den fünf anderen Kliniken der oberösterreichischen Landesholding auch ohne Grander und Vodoo gesund ist. Dort haben die Granderverkäufer offenbar vergeblich die Klinken geputzt. Die Antwort auf die Nachfrage bei einer betroffenen Klinik: Die Beschaffung vor rund 20 Jahren sei offenbar einem damaligen Trend folgend passiert. 

"Gesundes Granderwasser" gibt es in Oberösterreichs Landeskliniken nur in Steyr und Rohrbach
Screenshot: Website LKH Steyr

8.  Lass den Kunden Patrizier sein

Am 22. März ist Weltwassertag. Wir werden daran erinnert, dass einst Kriege um das kostbare Gut geführt wurden und wie gering der Prozentsatz jener Menschen auf dem Planeten ist, die ausreichend Wasser zur Verfügung haben. Wir werden daran erinnert, dass es alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist, mit einem Dreh am Wasserhahn erstklassiges und sauberes Trinkwasser fast unbegrenzt zur Verfügung zu haben – und dass wir dafür durchaus dankbar sein können. "Belebtes" Wasser – egal welcher Provenienz – erspart dem Wasser-Bobo die lästige Haltung von Demut, sie lässt indes eine Duftmarke mit elitärer Aura setzen: Sauberes und unbedenkliches Wasser – das mag etwas für anspruchslose Prolos sein. Unsereiner gibt sich nicht einmal damit zufrieden. (Christian Kreil, 12.3.2018)     

Die Bewertung der Stiftung Gurutest: 

  • Esoterikfaktor: ★★★★☆
  • Pseudomedizinfaktor: ★☆☆☆☆
  • Verschwörerfaktor: ☆☆☆☆☆
  • Rechtsaußenfaktor: ☆☆☆☆☆
  • Marketinggeniefaktor: ★★★★★

Weitere Beiträge des Bloggers