Stefan Gara, Neos-Wohnbausprecher (links), und Josef Muchitsch (SPÖ), Sprecher der Intitiative Umwelt und Bauen, waren sich einig: Wohnen muss wieder leistbar werden.

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Was ist gut am Regierungsprogramm zum Wohnen und Bauen, wo fehlen Visionen? Die beiden Oppositionspolitiker Stefan Gara (Neos) und Josef Muchitsch (SPÖ) im Gespräch, moderiert von Eric Frey.

STANDARD: Wir haben hier zwei Vertreter von Oppositionsparteien. Herr Muchitsch, was gefällt Ihnen am Regierungsprogramm am besten, was stört Sie am meisten?

Muchitsch: Das Positivste ist das klare Bekenntnis, die Gemeinnützigkeit zu stärken, und auch, dass das Hineingreifen in diese Mittel nicht stattfinden soll. Das ist in den letzten Jahren etwas anders diskutiert worden. Mir gefällt hingegen nicht, dass klare Ziele zum Einsatz der Wohnbauförderung fehlen. Ich sehe es kritisch, dass wir die Länder mit den Wohnbauförderungsmitteln zu den Wohnbaumeistern gemacht haben. Österreich ist nicht so groß, dass es unmöglich ist, das aus einer Hand zu gestalten. Abgesehen davon, dass es keine Verpflichtung gibt, diese Mittel wieder einzusetzen. Ich glaube, dass die Spielwiese der Länder mit Wohnbau und Wohnbauförderung nicht der richtige Weg ist.

STANDARD: Herr Gara, die gleiche Frage auch an Sie: Top und Flop?

Gara: Es sind viele Überschriften, man wird sehen, was das dann konkret heißt. Das meiste ist Länderthema, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Mietrecht liegen beim Bund. In dem Sinn fehlt mir eine klare Vision. Eine Regierung, die antritt, tatsächlich etwas Neues zu machen, muss hier größer denken. Die Raumordnung ist wesentlich, weil hier viele Steuergelder verschwendet werden. Positiv sind die Stabilisierung der Gemeinnützigkeit und das Einkommensmonitoring, das man wie beim Kirchenbeitrag regeln könne: Jene, die im Laufe ihres Lebens mehr verdienen, müssen auch mehr dafür bezahlen. Ich sehe die Problematik dabei nicht.

STANDARD: Herr Muchitsch, wie stehen Sie dazu?

Muchitsch: Ich kann mir nicht vorstellen, wie das bewältigt werden soll. Auch bei der Kirchensteuer gibt es Wege, weniger zu zahlen. Man sollte mehr Zeit in die Reduzierung der Normen und die Baulandmobilisierung für sozialen Wohnbau investieren. Man weiß, wie es geht, aber man tut es nicht. Wenn es einer verfassungsrechtlichen Änderung bedarf, damit die Bürgermeister eine Rechtssicherheit haben, um sozialen Wohnbau dementsprechend widmen zu dürfen, warum tun wir das nicht? Die Anträge liegen im Parlament.

STANDARD: Herr Gara, bei den Normen sind Sie wohl gleicher Meinung. Wie sieht es mit der Baulandmobilisierung durch Eingriff in Eigentumsrechte aus?

Gara: In Eigentumsrechte möchten wir nicht eingreifen. Ich denke, dass man über ordnungspolitische Maßnahmen der Raumordnung Priorisierungen machen kann. Etwa in Wien wäre es notwendig, das in einer Stelle zu koordinieren, damit man weiß, was die Stadt wirklich hat. In Städten ist auch die Verdichtung wichtig, es geht um das Suffizienzprinzip.

STANDARD: Verfassungsänderungen braucht man hier nicht?

Gara: Nein.

STANDARD: Herr Muchitsch, als die SPÖ in der Regierung war, haben Sie davor gewarnt, dass die ÖVP das Mietrecht liberalisiere. Ist jetzt die Zeit, wo all das stattfindet, oder ist es nicht so schlimm?

Muchitsch: Was wir bisher wissen, sind Überschriften. Die geplante Aufhebung des Verbots des Lagezuschlags führt dazu, dass die soziale Durchmischung im Stadtzentrum nach außen gedrängt wird. Das ist gesellschafts- und sozialpolitisch nicht klug. Aber ich bin kein Oppositioneller, der überall draufhaut. Ich befürchte nicht viel Gutes, aber ich will auch nicht vorverurteilen.

STANDARD: Herr Gara, ist das Mietrecht-Programm in Ihrem Sinne?

Gara: Wir können mehr Flexibilität bei der Befristung von Mieten einiges abgewinnen. Aber eine Gewerbeberechtigung für Airbnb-Anbieter ist eine weitere Bürokratisierung.

STANDARD: Mietrecht und Mietzinsobergrenzen waren über Jahre Streitthema. Von der Immobilienwirtschaft hieß es, das muss weg, dann würden wir mehr bauen. Jetzt scheinen Sie zu sagen, so wichtig ist das doch nicht?

Gara: Wir wollen keine Mietzinsobergrenzen, weil es um den Nutzen des Wohnraums geht, und den über den Quadratmeterpreis zu limitieren ist die falsche Zielgröße. Man sollte darüber reden, was eine Wohnung im Segment kosten soll.

Muchitsch: Wir haben Mietzinsobergrenzen und zugleich einen Rekord an Neubau von Wohneinheiten, trotz des bestehenden Wohnrechts. Das kann nicht das Killerargument sein. Fakt ist, es gibt andere Schrauben, wo man drehen muss: leistbares Wohnen. Wir sind in einer Hochkonjunktur, und Gelder aus Brüssel kommen, warum warten wir noch?

STANDARD: Also mit Mitteln den Wohnbau zusätzlich ankurbeln?

Muchitsch: Genau. Es ist wichtig, die Objektförderung vor die Subjektförderung zu stellen.

Gara: Das ist wichtig. Es geht um leistbares Wohnen für Leute, die es tatsächlich brauchen. Das gibt es derzeit nicht.

STANDARD: Österreich ist ein Land der Mieter, die Regierung will mehr Eigentum. Soll man Eigentum vergrößern?

Gara: Es geht nicht um ein Entweder-oder. Eigentum soll, auch für Junge, langfristig geschaffen werden.

Muchitsch: Wir leben in einem Land, wo Eigentum mit Steuergeldern gefördert wird. Man muss eher in die andere Richtung gehen und schauen, dass man alles daransetzt, dass sich die Menschen im unteren Einkommensdrittel auch irgendwann Eigentum leisten können. Und auch den hohen Mietanteil belässt durch Nachverdichtung und Geschoßwohnbau.

Gara: Da bräuchte es eine Politik des Experiments. Gerade in Städten sollte man Labors schaffen, wo man mit den Normen runtergeht und Dinge ausprobiert. Hier sollte die Politik mutiger sein. (13.3.2018)