Österreichs Machtzentrum: die Landeshauptleutekonferenz. Ein zwar nur informelles, aber durchaus effektives politisches Gremium.

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"Gemach, gemach", sagt der Politikwissenschafter und Verwaltungsexperte Klaus Poier. Dass jetzt in drei Bundesländern – in Niederösterreich, Tirol und jetzt auch Kärnten – die amtierenden Landeshauptleute mit deutlichen Mehrheiten gestärkt wurden, sei nicht als Rückkehr der "Landesfürsten" zu verstehen, dahinter stehe vielmehr ein ganz anderes Phänomen.

"Es gibt eine Renaissance der beiden großen Parteien ÖVP und SPÖ", sagt Poier. Beide Parteien hätten immer dann gut abgeschnitten, wenn sie nicht mehr in einer "Zwangsehe" gefangen waren. "SPÖ und ÖVP waren seit den 1980er-Jahren stark, wenn sie gegeneinander angetreten sind", erinnert sich der Politikwissenschafter von der Universität Graz. Davon, dass die SPÖ im Bund in Opposition ist, profitiere sie nun in den Ländern. Des einen Freud, des anderen Leid: Die FPÖ komme hingegen unter die Räder.

Ein vermeintlicher Langweiler wird in der Faschingsrepublik zum Star: Das ist die Story von Peter Kaiser. Nach Haider und Hypo holte der 59-Jährige die rote Mehrheit in Kärnten zurück – und nun auch ein Vetorecht im Bundesrat.
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Die FPÖ büßt für neue Rolle

Als populistischer Oppositionspartei bekommt es der FPÖ natürlich nicht gut, wenn sie in einer Regierung sitzt. Das sei mit ein Grund, warum die Freiheitlichen in den Ländern unter ihren Erwartungen abschnitten. "Das ist auch logisch. Eine Protestpartei, die in der Regierung sitzt, bekommt weniger Proteststimmen", sagt Poier.

Aber zurück zu den "Landesfürsten". Ein Begriff, mit dem Poier so gar nichts anzufangen weiß: "Was bitte soll das heißen? Leben die alle im Prunk? Was ist mit jenen Landeshauptleuten, die glaubwürdig das Land führen, von Johanna Mikl-Leitner, Hans Niessl, Markus Wallner bis Peter Kaiser, der fast technokratisch rüberkommt. Da passt dieses Bild der Landesfürsten einfach nicht." Natürlich sei eine Stärkung der Wahl auch eine Stärkung der Position innerhalb der jeweiligen Partei. "Aber wozu sollten die ÖVP-Landeshauptleute jetzt gegen ihren Parteichef Sebastian Kurz opponieren, wie es früher vielleicht die mächtigen ÖVP-Landeshauptleute gegen die Parteiobleute in Wien machten? Solange es mit Kurz so gut läuft, wäre ein Gegenwind aus den Ländern ja dumm", sagt Poier.

Er blühte daheim auf: Als Innenminister keine Lichtgestalt, trieb Günther Platter die schwarze Mehrheit in Tirol in lichte Höhen – ohne türkises Brimborium à la Sebastian Kurz. Der 63-Jährige ist dem Kanzler folglich wenig schuldig.
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Auch Politologenkollege Peter Filzmaier kann jetzt keinen gravierenden Wandel im Verhältnis Land-Bund orten. An der strukturellen Situation zwischen den Landeshauptleuten, dem Bund und den Bundesparteien habe sich auch durch die Wahlergebnisse nichts Essenzielles geändert.

Wunsch nach Stabilität

Die Macht der Landeshauptleute sei wie eh und je stark ausgeprägt. "Sie haben schon immer einen massiven Einfluss auf ihre Parteien und auch auf die Regierungen ausgeübt, da hat sich im Verhältnis zwischen den Bundesländern und dem Bund jetzt auch durch die Wahlen nichts geändert", sagt Filzmaier.

Die Fußstapfen des Vorgängers erwiesen sich doch nicht als allzu groß: Johanna Mikl-Leitner (54) verlor zwar etwas, hielt aber Erwin Prölls absolute Mehrheit – und so auch die zentrale Stellung der Niederösterreicher in der Volkspartei.
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Dass die amtierenden Landeshauptleute bei den letzten Landtagswahlen wieder deutlich zugelegt haben, hat für den Politologen Filzmaier eine "simple Erklärung". Zuletzt, 2013, habe es in den Ländern einen großen Wunsch nach Veränderung gegeben, der diesmal gefehlt habe. 2018 war vielmehr der Wunsch nach Stabilität vorrangig. Auch Filzmaier kann mit dem Begriff "Renaissance der Landesfürsten" wenig anfangen. "Ich halte ja schon den Begriff Renaissance für falsch. Wenn wir etwa an Johanna Mikl-Leitner denken, die hatte nie tief angefangen, sondern von hohem Niveau. Ich sehe auch nicht einen komplett neuen Trend in den Ländern in dem im Sinne, dass jetzt etwas ganz Erstaunliches passiert ist", sagt Filzmaier.

"Was sich geändert hat, ist, dass eine neue Generation gekommen ist, die ohne Kampfrhetorik und mit Sachpolitik reüssiert", ergänzt Politikberater Thomas Hofer. Da gebe es heute "eine andere Interpretation der Auftritte. Es ist nicht mehr das Poltern, das zählt".

Es war weniger Strahlkraft als der Salzburger Finanzskandal, der Wilfried Haslauer 2013 zum Landeshauptmann machte. Am 22. April darf der 61-Jährige laut Umfragen aber mit einer klaren Titelverteidigung rechnen.
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Früher habe etwa ein niederösterreichischer Landeshauptmann Erwin Pröll – durch ihn hat der Begriff "Landeskaiser" ein Gesicht bekommen – oft gegen die Bundespartei agiert und sich auf Kosten der Bundesparteitag profiliert. "Das ist jetzt unter den Neuen ganz anders", sagt Hofer.

Und: Prölls Nachfolgerin Mikl-Leitner hat trotz absoluter Mehrheit auch schon verkünden lassen, dass es für Niederösterreich nun sowohl ein Arbeitsübereinkommen mit der SPÖ als auch mit der FPÖ gebe – Details dazu sollen heute, Mittwoch, folgen.

Machtzentrum Landeshauptleutekonferenz

Gleich geblieben ist sicher das Machtzentrum der Landeshauptleutekonferenz, ein an sich nur informelles Treffen. Schon im Herbst 2017 – also noch vor den Landtagswahlen – stellten die damals noch nicht gestärkten Länderchefs zum Beispiel fest, "dass größere Reformvorhaben des Bundes "eine enge Abstimmung mit den Ländern benötigen". Eine enge Einbindung der Länder sei unumgänglich.

Die Landeshauptleute pochten darauf, dass sich der Bund an Vereinbarungen halte, etwa bei der Kostenerstattung für die Abschaffung des Pflegeregresses. "Wer anschafft, der zahlt", hieß es aus der Landeshauptleutekonferenz.

Zuerst das Bundesland, dann der Bund. Diese Prioritätenfolge gilt für Österreichs Landeshauptleute damals wie heute. (Walter Müller, 7.3.2018)