Marouschek: "Wir haben jahrelang aufgebaut."

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Frenetischer Empfang am Flughafen Wien für ...

Foto: SEPA Media/Michael Molzar

... Österreichs junge und sehr erfolgreiche Handballer.

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Doha/Wien – Es ist das siebente Spiel in sechs Tagen, zehneinhalb Minuten stehen noch auf der Uhr, Österreichs junge Handballer liegen gegen die jungen Deutschen 14:18 zurück. Dann passiert das, was Teamchef Roland Marouschek später "das Wüstenmärchen" nennen wird. Die Österreicher kassieren kein Tor mehr, schaffen den Ausgleich und im Shootout drei weitere Treffer, Endstand 21:18. Österreich hat in Doha, Katar, den Schul-WM-Titel im Handball geholt, das ist eine Sensation – und auch wieder nicht. "Wenn du am Ende eines solchen Turniers so stark bist", sagt Marouschek, "ist das ein Produkt genauer Planung und harter Arbeit."

Sieben Siege

Der siebente Sieg war der knappste, zuvor hatte Österreich etwa gegen Dänemark (23:12) und Kroatien (35:16) gekantert. Dänemark, Kroatien, Deutschland, da reden wir von Handballgroßmächten, auch im Nachwuchsbereich. In Dänemark etwa werden die größten Talente des Landes an einer Privatschule zusammengezogen und ausgebildet, und in Deutschland nimmt sich Bob Hanning, DHB-Vize und Füchse-Berlin-Geschäftsführer, persönlich der Schülerauswahl an. Marouschek: "In unserer Trainerausbildung ist es für die angehenden Betreuer ein Highlight, dass sie eine Woche nach Berlin fahren und dort das Modell von Hanning studieren können."

Und auf dem Niveau mischen plötzlich auch Österreichs Schulhandballer mit? Nun ja, von plötzlich kann nicht die Rede sein. Die – nach ihrem Jahrgang – sogenannten 2000er waren immerhin dreimal EM-Sechste und vor einem halben Jahr im Finale der European Open in Schweden. Von 42 Länderspielen, die diese Truppe bestritt, gingen nur sieben verloren. Marouschek: "Das Märchen ist kein Zufall. Wir haben jahrelang aufgebaut."

Lehrmeister Vinko Kandija

Marouschek (54) hat beim legendären Vinko Kandija gelernt, er führte West Wien 1992 zum Meistertitel, war Teamchef der Männer. Vor den 2000ern kümmerte er sich um die 1994er, aus diesem Jahrgang haben nicht weniger als sieben schon den Sprung in starke Profiligen, also ins Ausland geschafft.

Die seriöse Arbeit, die Erfolge und wohl auch die richtigen Kontakte haben vor knapp fünf Jahren bereits Red Bull auf den Plan gerufen. Dieses Engagement fällt weniger auf als Leipzig oder die Formel 1, macht aber durchaus Sinn. Unterschiede zu früher? Marouschek: "Wir fahren im Sommer nicht mehr mit 15 Spielern auf ein fünftägiges, sondern mit 23 Spielern auf ein zweiwöchiges Trainingslager." Ohne Red-Bull-Hilfe hätten die Schüler vielleicht gar nicht an der WM teilnehmen können, üblicherweise werden nur Events in Europa beschickt.

Professionelle Betreuung

In Doha wurde das Schülerteam durchaus professionell betreut, Marouschek standen zwei Assistenztrainer (Lukas Musalek, Michael Draca), ein Athletiktrainer (Christian Hackl) und zwei Physiotherapeuten (Patrick Ehrenberger, Michael Zauner) zur Seite. Die 2000er, sagt der Headcoach, seien "gescheit und fokussiert, insgesamt außergewöhnlich", zudem gebe es fünf, sechs überragende Talente. Während der WM hat Marouschek darauf verzichtet, eine Uhrzeit für die Bettruhe vorzugeben. "Die Burschen wissen selbst genau, wann sie schlafen gehen müssen."

Das Weltmeisterteam.
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Die jungen Handballer verteilen sich auf sieben Vereine, besuchen aber ein und dieselbe Schule (Maroltingergasse), wobei sie de facto schon in die AHS SLSZ Wien-West (Steinbruchstraße 33) im 14. Bezirk ausgegliedert sind. Die Oberstufe währt nicht vier, sondern fünf Jahre, dafür nimmt die Schule auf den Sport Rücksicht. Am Vormittag trainiert das Team gemeinsam, der Schulbetrieb dauert von 11.40 bis 16.20 Uhr, am Abend folgt ein zweites Training jeweils beim Heimverein.

Zukunftsmusik

Ist es angesichts des WM-Titels realistischerweise möglich, dass Österreich im Männerhandball in die Weltspitze vorstößt? Marouschek zitiert den ehemaligen Teamchef Dagur Sigurdsson: "Es ist nicht realistisch, aber sehr wohl möglich." Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass der eine oder andere Junghandballer bald ins Ausland übersiedelt. Bob Hanning, der Trainer der zweitplatzierten Deutschen, war in Doha nicht der Einzige, der sich eifrig Notizen machte. (Fritz Neumann, 7.3.2018)