Die Stolpersteine in der Stadt Salzburg erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus. Hier die Steine für den vertriebenen Schriftsteller Stefan Zweig, seine erste Frau Friderike Zweig-Winternitz und deren beide Töchter aus erster Ehe.

Foto: Stefanie Ruep

Salzburg – Der Salzburger Historiker Gert Kerschbaumer ist seit Jahren dafür bekannt, ausführlich recherchierte Biografien über die Opfer des Nationalsozialismus zu erstellen. Seine Arbeiten sind auch die Grundlage für die in der Stadt Salzburg verlegten Stolpersteine, die tagtäglich an die Opfer erinnern sollen. 80 Jahre nach dem "Anschluss" Österreichs im März 1938 veröffentlicht das Personenkomitee Stolpersteine nun eine Dokumentation aller Opfer des Nazi-Terrors aus Salzburg.

Mehr als 700 Namen aus allen Salzburger Bezirken hat Kerschbaumer bisher zusammengestellt. Sie sind in einem Verzeichnis inklusive Geburtsdatum, Geburtsort, Mädchennamen der Frauen und Todesdaten online abrufbar. Die Liste soll Angehörigen der Kriegsopfer helfen herauszufinden, was mit ihren Familienmitgliedern passiert ist. Denn viele Menschen, die nun auf dieser Liste zu finden sind, galten als verschollen oder waren nicht als Opfer bekannt. "Es gab sehr viel mehr Opfer als bisher bekannt. Die Liste ist nach wie vor lückenhaft", sagt Kerschbaumer.

Wie schwierig manche Biografien zu recherchieren sind, zeigt das Beispiel von Eva Gessl. Sie wurde als Eva Amoser am 9. Mai 1874 in Rauris geboren. Offiziell starb sie am 28. April 1941 in Hartheim bei Linz an "Paralitieus", so steht es jedenfalls im Taufbuch der Pfarre Rauris – obwohl die 66-Jährige als Patientin der Landesheilanstalt Salzburg in Hartheim vergast wurde. Einträge in Geburtsbüchern würden oftmals vermitteln, dass die NS-Opfer eines natürlichen Todes gestorben seien oder sich selbst umgebracht hätten, heißt es vom Personenkomitee Stolpersteine.

Viele Opfer nicht anerkannt

Illusorisch sei es, jüdische Opfer anhand der Geburts- und Trauungsbücher der Israelitischen Kultusgemeinde zu erforschen. Denn die Dokumente wurden während des NS-Terrors geraubt, und mit ihnen auch die Identität der Opfer. Nicht erfasst in Österreich seien auch die in Exilländer Vertriebenen und Hinterbliebenen von Shoa-Opfern, da sie keinen Anspruch auf Opferfürsorge hatten. Gleiches gilt für die Opfergruppe der Roma und Sinti, die keine österreichische Staatsbürgerschaft hatten. Selbst österreichische Deserteure der Deutschen Wehrmacht wurden nur als Opfer anerkannt, wenn sie Mitglieder jener politischen Parteien waren, die im Jahr 1947 das Opferfürsorgegesetz beschlossen hatten: ÖVP, SPÖ und KPÖ.

Die Dokumentation ist online auf der Seite des Personenkomitees Stolpersteine abrufbar und soll laufend erweitert werden. (Stefanie Ruep, 6.3.2018)