Die Wahlbeteiligung ist in den letzten 40 Jahren immer wieder gesunken. Mit Vorwahltagen wollte man dagegen vorgehen.

Foto: Georg Hochmuth

Wien – Können Vorwahltage die Wahlbeteiligung fördern? Angesichts des wiederholten Abstürzens der Beteiligung um mehr als sechs Prozentpunkte in Kärnten darf das bezweifelt werden. Doch genau diese Wirkung wird oft als Ziel und Grund für die Einführung von Vorwahltagen angeführt. Anfang 2017 hatte sich die damalige Koalition von SPÖ und ÖVP im überarbeiteten Arbeitsprogramm noch drauf geeinigt, dass es bundesweit einen zusätzlichen Wahltag geben soll. Häufig ist auch zu lesen, die Beteiligungsrückgänge seien dank vorgezogener Wahltage vergleichsweise gering geblieben.

Fest steht aber, dass in keinem anderen Bundesland das Interesse an Landtagswahlen so stark zurückgegangen ist wie in Kärnten: 2013 sank die Beteiligung auf 75,15 Prozent, dieses Jahr ist sie mit 68,63 Prozent so niedrig wie nie zuvor. Dabei gibt es – wie sonst nur noch in der Steiermark und dem Burgenland – einen Vorwahltag. Auch in diesen Ländern war die Beteiligung 2010 auf den historischen Tiefstwert eingebrochen. Trotz Vorwahltagen gab es 2015 jeweils die niedrigste Wahlbeteiligung der Zweiten Republik.

Positiver Einfluss empirisch kaum feststellbar

Können nun Aussagen darüber gemacht werden, ob Vorwahltage die Wahlbeteiligung fördern? Nein, sagt Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik vom Institut für Staatswissenschaft der Uni Wien, der für den STANDARD bloggt. Man wisse es einfach nicht, und die Frage sei am Fall Österreich empirisch kaum zu beantworten. Ein positiver Effekt wäre seiner Einschätzung nach aber "nicht extrem groß". Diejenigen, die von Vorwahltagen wissen, seien vermutlich politisch interessiert und ohnehin nicht die Gruppe der Nichtwähler. "Personen, die Wahlen fernbleiben, verspüren unter anderem zu wenig Interesse und glauben nicht, dass ihre Stimme etwas bewirken kann", erklärt Ennser-Jedenastik. "Sie brauchen das Gefühl, dass es bei einer Wahl um etwas geht."

Dazu passt, dass die Beteiligung nur in Wien (plus 7,12 Prozentpunkte) und in Oberösterreich (plus 1,28) bei den Landtagswahlen 2015 zugenommen hatte – und das ohne Vorwahltage. In beiden Bundesländern war die Stimmung angesichts der Flüchtlingskrise stark polarisiert.

Auswirkungen auf Briefwähler

Wie sehr vorgezogene Wahltage die Briefwahl reduzieren, lässt sich nicht abschätzen – weil es kaum vergleichbare Wahlen gibt. In Niederösterreich wurde der zusätzliche Wahltag schon 1992 eingesetzt, infolge der Einführung der Briefwahl 2007 aber wieder abgeschafft. Die Steirer (seit 2005) behielten ihn trotz Einführung der Briefwahl bei, Kärnten (erstmals 2009) und das Burgenland (erstmals 2015) entschlossen sich, zusätzlich einen Vorwahltag einzuführen.

Welche der beiden Varianten beliebter ist, zeichnet sich nicht eindeutig ab. 20.000 Kärntner gaben 2018 ihre Stimme schon am Vorwahltag ab (2013 fast 20.000) und nicht ganz 22.000 per Briefwahl (2013 rund 16.400). In der Steiermark wurden 2015 circa 55.000 Stimmen per Briefwahl abgegeben (2010 rund 60.000) und am Vorwahlabend 69.000 (2010 über 54.000).

Wahlbeteiligung kommt wieder

"Prinzipiell ist es immer sinnvoll, den Wahlgang leichter zu machen", sagt Ennser-Jedenastik. Zu viel solle man sich davon aber nicht erwarten. Er weist außerdem darauf hin, dass es in den letzten 30 bis 40 Jahren zwar einen Rückgang der Wahlbeteiligung gebe, dieser jedoch nicht systematisch sei: "Es ist ein Auf und Ab, die Beteiligung kommt aber immer wieder."

Die größten Wahlmuffel sind aktuell übrigens die Tiroler mit 60 Prozent Beteiligung. Österreichs Musterschüler sind die Oberösterreicher, von denen zuletzt über 81 Prozent mitbestimmten. (Verena Richter, 6.3.2018)