Nach einem Amoklauf stehen Computerspiele meist im Fokus.

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Der Gouverneur von Kentucky, Matt Bevin, zusammen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten.

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Das Counter-Strike-Finale auf der Intel Extreme Masters 2018 Weltmeisterschaft in Katowice.

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Ein AR-14 Gewehr benutzte der Attentäter in Florida und kann man in den USA früher erwerben, als ein Bier.

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Beim diesjährigen Valentinstag wurden auf dem Gelände einer High School in Florida 17 Menschen erschossen und 15 verletzt. Für einige Politiker lag die Ursache wieder einmal bei gewalthaltigen Computerspielen, obwohl zahlreiche Studien keine Kausalität zwischen Amoklauf und "Killerspielen" aufzeigen. Der Standard untersuchte dieses wiederkehrende Argument und sprach mit dem Historiker Eugen Pfister über das Massenmedium Computerspiele.

Schuld ist die "Kultur des Todes"

Ein Tag nach dem Massaker in Florida gab Matt Bevin, Gouverneur von Kentucky, ein Radio-Interview, indem er behauptete, dass Waffen nicht das Problem wären, sondern die sich entwickelnde "Kultur des Todes". Er meinte damit vor allem gewalthaltige Computerspiele. Es ist ein wiederkehrendes Phänomen: Findet ein Amoklauf statt, werden meist Computerspiele als Problem und Ursache des Massakers dargestellt.

Treffen im Weißen Haus

Auch Donald Trump äußerte sich mehrmals zu diesem Thema und behauptete, Games würden zur Gewalt von Kindern führen und "Monster erschaffen". Aufgrund dessen lud er vergangene Woche unter anderem Vertreter der Spieleindustrie und Verfechter strengerer Regeln für Videospiele ins Weiße Haus ein. Beide Seiten tauschten bereits bekannte Argumente aus. ein gemeinsamer Konsens der beiden Fronten war dabei nicht ersichtlich. Dementsprechend blieb das Treffen ergebnislos.

Schulen in Spielen nachgebaut

Schon 2006 gewann das Spiel "Counter-Strike" an Aufmerksamkeit. 37 Menschen verletzte der 18-jährige Sebastian B. bei seinem Amoklauf an der eigenen Schule in Emsdetten, Nordrhein-Westfalen. Sowohl Politiker als auch die Medien konzentrierten sich verbissen auf den Fakt, dass er zuvor in dem Computerspiel "Counter-Strike" seine eigene Schule nachgebaut hatte.

Suche nach Waffe verdächtig

Dabei ist Sebastian B. nicht der Einzige. In einem Artikel von Spiegel Online wurde darauf hingewiesen, dass viele Spieler dies tun. Damals führte Spiegel Online ein Interview mit Jens Hoffmann, dem Leiter des Instituts Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt, der sich unter anderem auf Amokläufe spezialisiert. Hoffmann sieht in dem Nachbau der eigenen Schule per se nichts Schlechtes. Wenn sich jemand jedoch auf die Suche nach einer Waffe mache, dann sollte man eingreifen, sofern man dies mitbekomme.

Bau der Schule ist kreativlos

Außerdem sei der Bau der eigenen Schule in der Computerspiele-Welt inzwischen verrufen. Eine Spielkarte soll möglichst viele Verstecke bieten. Eine Schule mit ihren langen Korridoren liefert eher das Gegenteil und deswegen gilt dies als einfallslos, wenn man eine kreiert.

Treffen auf Online-Plattformen

Die Gameplattform Steam ist eine Online-Plattform der Spielefirma Valve, über die man Spiele digital kaufen und spielen kann. Gleichzeitig gibt es auch die Möglichkeit, sich mit anderen Nutzern auszutauschen. Einerseits privat durch eine Freundschaftsanfrage oder in Gruppen.

Anbetung von Amokläufern in Gruppen

In manchen der Gruppen wird über Amokläufe gesprochen. Teilweise werden Täter sogar bejubelt. Laut Hoffmann gibt es eindeutig Orte, an denen sich Leute Treffen, die ein spezielles Interesse an diesem Thema zeigen. Schlechte Witze und gegenseitige Provokation sollen dabei dominieren. Anscheinend sind einige Amokläufer vor ihren Taten in solchen Gruppen auffällig geworden. Auf Steam gibt es aber auch zahlreiche, die sich gegen Amokläufe aussprechen. Diese Pro und Contra Gruppen sind üblich für größere Online-Plattformen.

Beobachtung sozialer Netzwerke

Die Polizei scheint nun mehr auf Androhungen zu Amokläufen in sozialen Netzwerken zu achten. So wurde auf Reddit über einen potenziellen Täter diskutiert und dieser der deutschen Polizei gemeldet. In den USA schien ein 16-jähriger mit einem Video auf Snapchat ein Attentat anzukündigen. Der Richter verodnete Hausarrest und verbot das Spielen von sogenannten "Killerspielen".

Gewaltenrate klein, wenn "Killerspiele" vorhanden sind

Schaut man sich die Statistiken an, spielen vor allem diejenigen, die Gewalt an Schulen ausüben, eher keine Computerspiele. Im Gegensatz dazu sollen 70 Prozent der männlichen Schüler sich regelmäßig mit so genannten "Killerspielen" auseinandersetzen und nicht auffällig im Unterricht sein. Generell gäbe es eine niedrige Gewaltenrate in den Ländern mit einer hohen Verbreitung an gewaltverherrlichenden Spielen, wie das Magazin Rolling Stone berichtet.

Keine Verbingdung zwischen Medien und Aggression

Letztes Jahr schrieben Medienpsychologen einen offenen Brief an Politiker, in dem sie darum baten, keine Bezüge mehr zwischen Amokläufen und Computerspielen zu bringen. Laut The Verge sind meisten Studien, die versuchen, eine Verbindung zwischen dem Medium und Aggression zu erstellen, ergebnislos.

Wiederholungen

Der Fall Sebastian B. im Jahr 2006 war nicht der Erste und auch nicht der Letzte. Zehn Jahre später verwies der deutsche Bundesminister Thomas de Maizière nach dem Amoklauf des 18-jährigen D.S. in München erneut auf die vermeintlich schädliche Wirkung von Computerspielen.

Kausalität vs. Korrelation

Aufgrund dessen veröffentlichte Eugen Pfister, Leiter des Forschungsprojekts "Horror-Game-Politics" an der Hochschule der Künste Bern ein Plädoyer für eine "objektivere Debatte" auf seinem Blog. Darin verweist er "auf eine verdrehte beziehungsweise falsch verstandene Kausalität."

Ablenkungsmanöver

Auf die Frage, warum Politiker dennoch immer wieder auf die Computerspiele als Ursache verweisen, sagte Pfister dem STANDARD, dass dies zumeist ein Ablenkungsmanöver sei. Außerdem müssen Politiker "gezwungen von der Kultur des Sofort-reagierens" so schnell wie möglich "eine Ursache benennen".

Angriff auf neue Medien

Geschichtlich gesehen treffen diese Anschuldigungen meist immer die neuen Medien, so Pfister. "Was jetzt die Computerspiele sind, waren in den 1950er-Jahren die Comics. Weil es auch Statistiken gab, die gezeigt haben, dass besonders viele jugendliche Kriminelle auch sehr viele Comics lesen. Nur dass das nicht eine Kausalität ist, sondern eine Korrelation. Das Comic lesen hat nicht zur Kriminalität geführt. Und das Gleiche gab es dann mit Film und Fernsehen auch."

Computerspiele = Massenmedium

Pfister betont jedoch, dass er nicht alle Computerspiele für gut empfindet: "Es ist ein ganz normales Massenmedium, wie Film und Literatur. Man darf nun nicht den Fehler machen, jetzt alles zu verteidigen. Es gibt ja auch schlechte Filme. Nur deswegen das ganze Medium zu verdammen, das geht auch nicht."

Selbstkontrolle durch die Gesellschaft

Er wünscht sich einen offenen und objektiven Diskurs. Nur leider würden sich beide Fronten in der Thematik zu sehr versteifen, sodass sich keine natürlichen Tabus aus der Gesellschaft heraus entwickeln können. Eine "diskursive Selbstkontrolle der Gesellschaft", wie Pfister sie nennt.

Problemlösung durch Waffen

Auffallend sei jedoch, dass es sich bei Computerspielen meist um Konflikte handelt, die nur mit Waffen zu lösen sind. Einen Punkt, den Pfister generell an der Industrie kritisiert. "Man kann jetzt aber nicht sagen, das ist der Grund, warum es Amokläufer gibt."

Liegt die Ursache woanders?

Im Zuge eines High-School Massakers am 23. Januar in Kentucky, bei dem 2 Menschen ums Leben kamen und 18 verletzt wurden, machte die New York Times in einem Artikel darauf aufmerksam, dass es in den USA schon das elfte im Jahr 2018 war. Im Durchschnitt soll es seit 2013 einmal wöchentlich zu einer Waffensituation in einer Schule in den USA gekommen sein. Dabei sind Selbstmorde und Vorfälle, bei denen niemand verletzt wurde, hinzugezählt.

Das Waffenproblem der USA

Ein Artikel des Guardian machte darauf aufmerksam, dass man in den Vereinigten Staaten ein Gewehr schon mit dem Alter von 18 Jahren erwerben kann. Strengere Gesetze gibt es jedoch beim Alkoholkonsum. Die Heranwachsenden müssen hier bis zu ihrem 21. Lebensjahr warten.

Vox

Forderung zu strengeren Gesetzen

Eine Studie der Harvard University zeigt, dass eine hohe Anzahl an Waffen in einer Region zu mehr Toten führen kann. Gleichzeitig weist eine weitere Studie auf, dass eine Reduktion von Attentaten durch Waffen aufgrund der Einführung bestimmter gesetzlicher Regulierungen hervorgerufen werden kann. Es ist genau die Waffenkontrolle, welche die Überlebenden des Attentats in Florida nun fordern. (sem, 13.03.2018)