Eva Glawischnig ist nun beim Glücksspielkonzern Novomatic für Nachhaltigkeitsmanagement zuständig.

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Wien – Der niederösterreichische Glücksspielkonzern Novomatic hat einen weiteren Politpromi engagiert. Die langjährige Grünen-Chefin Eva Glawischnig-Piesczek leitet seit 1. März den Bereich Corporate Responsibility und Sustainability. Sie selbst sieht sich als "Verantwortungsmanagerin" und will sich für Novomatic um ökologische und juristische Fragen sowie um verantwortungsvolles Spielen kümmern. Nach einem Gespräch mit Bundesgeschäftsführer Werner Kogler hat Glawischnig ihre Parteimitgliedschaft bei den Grünen zurückgelegt.

Die ehemaligen Grünen-Chefin Eva Glawischnig wird Leiterin der Nachhaltigskeitsabteilung bei dem Glücksspielkonzern Novomatic. Ihre Parteimitgliedschaft legte sie zurück, teilte Grünen-Bundessprecher Werner Kogler mit.
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Glawischnig ist nicht die erste (Ex-)Politikerin, die bei Novomatic anheuert. Der nunmehrige EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) war von 1997 bis 2003 während seiner Zeit als Wiener Landtagsabgeordneter Novomatic-Vorstand. Der frühere Innenminister Karl Schögl saß von 2004 bis 2011 im Aufsichtsrat des Unternehmens, Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (beide SPÖ) beriet Novomatic in Südamerika und Osteuropa und war auch Aufsichtsrat der deutschen Tochter Löwen Entertainment.

Glawischnig: Grüne Empörung blieb aus

Dass ausgerechnet eine Grüne für Novomatic arbeitet, dürfte für viele überraschend kommen, haben sich doch die Grünen, vor allem in Wien, bisher äußerst kritisch gegen das Automatenzocken und insbesondere gegen die Praktiken von Novomatic geäußert.

Ihre Entscheidung werde viele "überraschen, manche vielleicht irritieren", sagte Glawischnig am Freitag bei einer Pressekonferenz mit Novomatic-Chef Harald Neumann. Heute habe sie ihre engsten früheren Parteikollegen informiert, die Empörung sei ausgeblieben.

Ellensohn will Novomatic "weiter bekämpfen"

Aus den grünen Reihen ließ Kritik nicht lange auf sich warten. Man werde die "Novomatic-Machenschaften weiterhin bekämpfen", deponierte der Wiener Klubobmann David Ellensohn. "Der Konzern Novomatic ist mittlerweile rechtskräftig vom OGH verurteilt worden, weil er jahrelang Glücksspielautomaten in Wien aufgestellt hat, die nicht dem Gesetz entsprochen haben." Glawischnig nannte Ellensohn nicht persönlich. Ihm gehe es nicht um "einzelne MitarbeiterInnen", sondern um die Praktiken des Konzerns.

Glawischnig sagte, nach ihrem Abschied aus der Politik Ende Mai, Anfang Juni vergangenen Jahres habe sie überlegt, was sie interessiere – und das seien eben große "Konzerntanker" beziehungsweise die Industrie gewesen. Sie habe auch andere Angebote gehabt, sich dann aber bewusst für Novomatic entschieden, obwohl sie da nicht mehr verdiene als als Klubobfrau der Grünen.

"Meine Werte bleiben dieselben"

An Novomatic fasziniere sie vor allem die Internationalität und gleichzeitig das Bekenntnis zum Standort Gumpoldskirchen. Weiters spannend für Glawischnig: "Novomatic ist im Wesentlichen ein Hightechkonzern." Natürlich rechne sie mit Kritik an ihrer Entscheidung, das sei auch in Ordnung. Im Internet sei es aber wichtig, Grenzen zu ziehen, so Glawischnig mit Verweis auf diverse Musterklagen, die sie wegen Hasspostings geführt hat.

In ihrer neuen Funktion "bleiben meine Werte dieselben", erklärte Glawischnig. "Meinen kritischen Geist kann und werde ich nicht aufgeben." In den kommenden zwei, drei Monaten werde sie viel reisen, um den Konzern gut kennenzulernen. Erste Ziele sind die wichtigen Novomatic-Auslandsmärkte Großbritannien, Deutschland und Spanien.

2010 gegen Glücksspielgesetz gestimmt

Glawischnig wird als Leiterin der Stabsstelle Corporate Responsibilty und Sustainability, die es bisher schon gab, direkt an Konzernchef Neumann berichten. Es handle sich dabei eher um eine "horizontale Funktion", Glawischnig wird also innerhalb und außerhalb des Konzerns viel netzwerken. Es gehe wesentlich um den Dialog mit den "Stakeholdern", also auch der Politik. Ob sie auch mit den Wiener Grünen reden wird, die das kleine Glücksspiel, von dem Novomatic lebt, vehement bekämpfen? Es gehe auf keinen Fall darum, jemandem etwas "reinzudrücken", so Glawischnig.

Sie räumt auch ein, dass sie 2010 gegen das Glücksspielgesetz gestimmt habe, weil es den Grünen damals zu wenig gewesen sei. Zuständig sei ihr damaliger Kollege Peter Pilz gewesen.

Glawischnig: Spielsucht lässt sich nicht "wegverbieten"

In puncto Glücksspiel ist Glawischnig wie Novomatic der Meinung, dass eine Regulation sehr wichtig sei. Man könne "unerwünschte gesellschaftliche Erscheinungen" wie Spielsucht nicht "wegverbieten".

Novomatic sei beim Spielerschutz sehr gut. Als sie selbst in einer Automatenhalle in Niederösterreich versucht habe zu spielen, sei ihr das erst nach einigem Warten und ein paar Telefonaten gelungen. Die Systeme hätten sie zuerst nicht hineingelassen, weil sie als PEP (politically exposed person) erkannt worden sei. Politiker unterliegen automatisch strengeren Restriktionen, um Geldwäsche zu verhindern. "Das ist der beste Beweis, dass das System funktioniert", so Glawischnig.

Konzernchef: "Unsere Ansichten decken sich größtenteils"

Für Novomatic-Chef Neumann ist Glawischnig die perfekte Besetzung für den CR-Bereich, auch oder gerade weil man in der Vergangenheit nicht immer einer Meinung gewesen sei. Letztendlich habe Glawischnig Novomatic durch diverse Kontroversen besser kennengelernt, "und wir haben gesehen, dass unsere Ansichten sich größtenteils decken". Neumann findet es nicht gut, dass es in Österreich Politikern "fast verunmöglicht" werde, in der Wirtschaft Fuß zu fassen, hätten doch Politiker zahlreiche wichtige Fähigkeiten für Unternehmen.

Glawischnig war im Mai 2017 nach achteinhalb Jahren als Grünen-Chefin zurückgetreten. Bei Novomatic hat sie einen unbefristeten Vertrag.

Vor einem Jahr kritisierte die Ex-Grüne Novomatic noch

Glawischnig und die Grünen haben jahrelang gegen das Glücksspiel und gegen Novomatic im speziellen angekämpft. Vor nicht einmal einem Jahr warf Glawischnig dem Konzern noch Gesetzeskauf vor.

In der ORF-Sendung "Im Zentrum" am 9. April 2017 sprach Glawischnig noch als Grünen-Chefin davon, "dass die, die halt Geld haben, Einfluss haben, wie die Novomatic, ich spreche es auch offen aus, auch wirklich Gesetze beeinflussen". Heute zeigte sich die frühere Oppositionspolitikerin von der "Internationalität" des Konzerns fasziniert.

Die Vorwürfe des Gesetzeskaufs gegen Novomatic sind 2012 im parlamentarischen "Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen" aufgetaucht. Der Glücksspielkonzern Novomatic wollte demnach 2006 gemeinsam mit der Telekom Austria in das Online-Glücksspiel einsteigen, sie bedienten sich dafür des Lobbyisten-Duos Walter Meischberger und Peter Hochegger. Sie sollten eine Lockerung des Glücksspielmonopols erreichen, die von der schwarz-orangen Koalition dann auch vorbereitet wurde – ohne Information von Platzhirsch Casinos Austria. Lotterien-Vorstand Friedrich Stickler berichtete im Ausschuss, wie er das Projekt durch Intervention bei der ÖVP im letzten Moment zu Fall bringen konnte. Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer vermutete im U-Ausschuss allerdings, dass das BZÖ nur vom Projekt abrückte, weil die Casinos der Partei 300.000 Euro für eine neun Seiten lange "Studie" über "Responsible Gaming" bezahlten. (APA, red, 2.3.2018)