Darstellung der Milchstraßenscheibe, gestört durch die Gezeitenwechselwirkung mit einer Zwerggalaxie. Die Lage der in dieser Studie beobachteten Sterne ist eingezeichnet.

Illustration: T.Mueller, HdA/NASA/JPL-Caltech

Heidelberg – Die Position unseres Sonnensystems inmitten der Milchstraßenscheibe gewährt uns einen recht guten Ausblick auf die unterschiedlichen Regionen unserer Heimatgalaxie: Astronomen klassifizieren sie als eine eher durchschnittliche, große Spiralgalaxie, bei der die Mehrzahl der Sterne ihr Zentrum innerhalb einer Scheibe umkreist. Umgeben ist die Milchstraße von einem Halo aus dunkler Materie, in der sich weitere Sterne befinden. Bisher vermutete man eingefangene Satellitengalaxien als Quelle dieser Halo-Sterne. Eine aktuelle Untersuchung lieferte nun aber eine Überraschung.

Viele der Halo-Sterne sind in riesigen Strukturen gruppiert, gigantische Sternenströme oder Sternenwolken, von denen einige die Milchstraße vollständig umschließen. Ein internationales Team von Astronomen unter der Leitung von Maria Bergemann vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg fand überzeugende Belege dafür, dass einige dieser Halostrukturen nicht ein Überbleibsel von zerstörten Zwerggalaxien darstellen, sondern aus der Scheibe der Milchstraße selbst stammen.

Rätselhafte Sternenstrukturen

Die Wissenschafter untersuchten 14 Sterne, die sich in zwei verschiedenen Strukturen im galaktischen Halo befinden, die Triangulum-Andromeda (Tri-And) und die A13-Überdichte. Diese beiden Sternansammlungen liegen an gegenüberliegenden Seiten der galaktischen Scheibenebene. Frühere Untersuchungen der Bewegung dieser beiden diffusen Strukturen ergaben, dass sie kinematisch assoziiert sind und mit dem Monoceros-Ring in Verbindung gebracht werden könnten, einer ringförmigen Struktur, die sich um die Galaxis windet. Die Art und Herkunft dieser beiden Sternstrukturen ist jedoch noch nicht abschließend geklärt. Die beiden stellaren Überdichten befinden sich jeweils etwa 14.000 Lichtjahre über und unter der galaktischen Ebene.

Bergemann und ihr Team untersuchten nun erstmals die chemische Zusammensetzung dieser Sterne im Detail, die mit hochauflösenden Spektren der Keck- und VLT- (Very Large Telescope, ESO) Teleskope gewonnen wurden. "Diese Analyse ist ein sehr sensitiver Test, der es uns, ähnlich wie bei einem DNA-Abgleich, erlaubt, die Herkunft des Sterns zu identifizieren", erklärt Bergemann. "Wenn wir wissen, woraus die Sterne bestehen, können wir sie mit ihrem Geburtsort in Verbindung bringen."

Verblüffende Übereinstimmung

Beim chemischen Vergleich der untersuchten Sterne mit denen anderer kosmischer Strukturen erlebten die Wissenschafter eine Überraschung: Zum einen unterschieden sich die chemischen Zusammensetzungen der Sterne sowohl innerhalb als auch zwischen diesen beiden Stern-Ansammlungen praktisch nicht. Ihre Herkunft scheint also dieselbe zu sein. Zum anderen war die Zusammensetzung der Sterne nahezu identisch mit der Elementhäufigkeit von Sternen innerhalb der Milchstraßenscheibe.

Diese Übereinstimmung führt für die Astronomen zu dem Schluss, dass diese Sterne höchstwahrscheinlich aus der dünnen galaktischen Scheibe und damit dem jüngeren Teil der Milchstraßenscheibe stammen und keine Trümmer von kollidierten Zwerggalaxien darstellen.

Beleg für eine schwingende Galaxie

Aber wie gelangten die Sterne an diese weit entfernten Positionen über und unter der galaktischen Scheibe? Die Wissenschafter vermuten, dass sich diese Sternwanderung durch eine Schwingung der Galaxienscheibe erklären lässt. Dabei führt die Gezeitenwechselwirkung des Milchstraßenhalos und der Scheibe unserer Galaxis mit einer vorbeiziehenden massereichen Satellitengalaxie zu Schwingungen der Galaxienscheibe.

Die von Bergemann und ihre Kollegen nun in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlichten Ergebnisse liefern den bislang deutlichsten Beweis für diese bisher nur theoretisch postulierten Schwingungen der Milchstraßenscheibe. Diese Resultate zeigen, dass der Aufbau und die Dynamik der Milchstraße wohl deutlich komplexer sind als bisher angenommen. (red, 4.3.2018)