Gedenken an den ermordeten Ján Kuciak vor der Redaktion des Magazins "Aktuality", für das er arbeitete.

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STANDARD: Der investigative Journalist Ján Kuciak recherchierte unter anderem zu Steuerbetrügern sowie zwielichtigen Verbindungen zwischen Unternehmern und hohen politischen Kreisen. Denken Sie auch, dass der Mord mit seiner Arbeit zusammenhängt?

Macák: Der Mord war bestimmt ein Angriff auf die demokratischen Grundprinzipien und auf die Freiheit der Presse. Was genau dahintersteckt, muss die Justiz nun herausfinden. Unser Kollege hat bereits seit einigen Monaten an einer neuen Geschichte recherchiert, die angeblich kurz vor der Veröffentlichung stand. Es ging um die Tätigkeit der italienischen Mafia in der Slowakei. Details sind nicht bekannt. Man muss vorsichtig mit schnellen Anschuldigungen an die italienische Mafia sein. Wir wissen, dass sie in der Ostslowakei tätig ist. Sie hat aber bisher nie mit Morddrohungen zu tun gehabt. Zwei Optionen sind wahrscheinlich: Entweder kam der Auftrag aus kriminellen oder aber aus politischen Kreisen. Es wird schwierig, das herauszufinden.

STANDARD: Kuciak hat ja auch schon vorher über dubiose Geschäfte zwischen Wirtschaft und Politik berichtet.

Macák: Seine bekanntesten Aufdeckergeschichten behandelten angebliche Verbindungen zu Premierminister Robert Fico und zu Innenminister Robert Kaliňák und mutmaßlichen Steuerbetrug.

STANDARD: Vertrauen Sie der Justiz?

Macák: Der Staatsanwalt Jaromír Čižnár hat bereits angekündigt, sich mögliche Verflechtungen mit der Politik genau anschauen zu wollen und gegebenenfalls eine Untersuchung einzuleiten. Er wurde allerdings von dieser Regierung nominiert. Wir sind also skeptisch, ob er es es ernst meint oder alles nur Theaterdonner ist. Aber als EU-Mitgliedsland stehen wir natürlich unter Beobachtung.

STANDARD: Der Mord erinnert an die 90er-Jahre, als in der Slowakei Staat und organisiertes Verbrechen noch stark verflochten waren und Journalisten keinen leichten Stand hatten.

Macák: Ja. Damals arbeitete die Geheimpolizei eng mit der Unterwelt zusammen. Journalisten wurden bedroht, ihre Autos angezündet, sie selbst angegriffen. Nach 1998 hat sich dann unter der Regierung von Mikuláš Dzurinda die Situation verbessert. Unter Robert Fico begann sich aber die Atmosphäre für Journalisten wieder zu vergiften. Fico ist bekannt für seine bissigen Kommentare. Zuletzt – am Ende der slowakischen EU-Ratspräsidentschaft 2016 – hat er uns als "dreckige antislowakische Huren" bezeichnet. Dieser Mord ist auch der Stimmung geschuldet, die die Politik gegen die Journalisten schafft.

STANDARD: War Ján Kuciak auch Opfer verbaler Attacken?

Macák: Ja. Ein Unternehmer hat ihn konkret bedroht. Kuciak hat sich an die Polizei gewandt, die hat aber anscheinend nicht reagiert. Der Unternehmer hat auch gute Verbindungen zur Politik.

STANDARD: In der Slowakei sind immer noch zwei Journalisten verschwunden – Paľo Rýpal seit 2008, Miroslav Pejko seit 2015. Gibt es hier neue Erkenntnisse?

Macák: Nein. Von ihnen fehlt nach wie vor jede Spur. Beide haben investigative Reportagen gemacht. Rýpal hat damals sogar einen Abschiedsbrief hinterlassen: "Ich habe keine andere Wahl", sonst nichts. (Manuela Honsig-Erlenburg, 27.2.2018)