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Parlament in Rom.

Foto: REUTERS/Tony Gentile

Am 4. März wird in Italien gewählt. In der Abgeordnetenkammer werden 630 Sitze neu besetzt, im Senat 315. In den letzten Umfragen – ab zwei Wochen vor der Wahl dürfen keine mehr veröffentlicht werden – lag das von Ex-Premier Silvio Berlusconi angeführte Rechtsbündnis in Führung. Stärkste Einzelpartei ist die Fünf-Sterne-Bewegung, gegründet von Komiker Beppe Grillo.

Wie ist die Ausgangssituation der Parteien?

Die Wahl ist ein Dreikampf, in dem sich lediglich die Mitte-rechts-Allianz um Ex-Premier Berlusconi konkrete Hoffnungen auf eine Mehrheit im Parlament machen darf. Neben der nationalistischen Vereinigung Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) gehören Forza Italia und die Lega von Matteo Salvini zu dem Bündnis. Zusammen liegen sie in Umfragen derzeit bei etwa 36,5 Prozent.

Der regierende Partito Democratico (PD) – Paolo Gentiloni ist Premierminister, Ex-Regierungschef Matteo Renzi Parteichef – liegt mit derzeit 25 Prozent in den Umfragen abgeschlagen zurück. Ein großes Fragezeichen ist die Fünf-Sterne-Bewegung (Premierkandidat Luigi Di Maio), die laut Umfragen mit 28 Prozent zur stärksten Einzelpartei aufrücken könnte.

Könnte Silvio Berlusconi der nächste Premier werden?

Nein. Berlusconi zählt wegen eines bis Ende 2019 geltenden Ämterverbots nicht zu den Spitzenkandidaten. Nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs darf er nicht antreten. Er macht aber Druck auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, um eine Aufhebung des mit seiner rechtskräftigen Verurteilung verbundenen Ämterverbots zu erreichen. Und im Wahlkampf dreht sich dennoch alles um ihn, den "presidente".

Will jemand mit der Fünf-Sterne-Bewegung koalieren?

Die Fünf-Sterne-Bewegung will keine Koalition eingehen, aber auch die anderen Parteien wollen nicht mit ihr koalieren. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass sie weiterhin als Oppositionspartei im Parlament sitzen wird. Allerdings gilt in Italien noch stärker als in anderen Ländern: Was vor Wahlen gesagt wird, muss danach nicht unbedingt auch noch gelten.

Drohen Italien also Chaos und Unregierbarkeit?

Wie gesagt: Was vor Wahlen gesagt wird, muss danach nicht unbedingt auch noch gelten. Im rechten Bündnis hört man bereits von Uneinigkeiten und Streitigkeiten.

Ein Kabinett aus Berlusconis Forza Italia und PD betrachten viele Beobachter in Rom als einzige Möglichkeit, um Italien die Regierbarkeit zu sichern – und als geringstes Übel für das Land und Europa. Das würde vermutlich wieder auf Paolo Gentiloni als Premierminister hinauslaufen. Gentiloni ist in Italien der beliebteste Politiker. Diese Lösung gilt auch in Brüssel als willkommen.

Wie wird sich das neue Wahlrecht auswirken?

Das im Oktober verabschiedete Wahlrecht, eine Kombination aus Mehrheits- und Proporzsystem, ist ein Kompromiss, von dem vor allem Berlusconis Mitte-rechts-Allianz profitieren könnte. 37 Prozent der Parlamentssitze werden nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben, der Rest nach dem Proporzsystem, Vorzugsstimmen sind nicht vorgesehen. Da es keine Mehrheitsprämie gibt, muss eine Koalition oder Partei mindestens 40 Prozent der Stimmen erobern, um die Mandatsmehrheit zu erlangen. Das ist angesichts der zersplitterten Parteienlandschaft in Italien nicht einfach.

Wie groß ist der Anteil der Unentschlossenen?

Noch sind gut ein Drittel der Wahlberechtigten unentschlossen. Das ist recht viel. Giovanni Orsina, Politologe und Dozent an der römischen Universität Luiss, spricht von einer großen Politikverdrossenheit der Italiener. Immer mehr Wähler seien der Ansicht, dass die Politik nicht glaubwürdig ist und die Probleme des Landes nicht lösen kann: "Daher bleiben sie den Wahllokalen fern."

Welche Themen waren im Wahlkampf vorrangig?

Das Meinungsforschungsistitut Ixè hat in einer Umfrage erhoben, dass die Italiener sich vor allem um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sorgen (52 Prozent). Die Finanzkrise 2008/09 traf Italien hart. Nach Jahren der Flaute befindet sich die Volkswirtschaft aber wieder im Aufwind, im Jahr 2017 wuchs die Wirtschaft so stark wie seit 2010 nicht mehr. Dennoch hinkt Italien den anderen Partnern im Währungsraum konjunkturell hinterher.

Nur 23 Prozent der Italiener gaben in der Ixè-Umfrage an, sich wegen der Migrationsthematik zu sorgen. Trotzdem war sie im Wahlkampf omnipräsent – kaum überraschend in einem Land, wo seit der Schließung der Balkanroute wieder zahlreiche Bootsflüchtlinge ankommen. Vor allem seit dem Mord an einer jungen Frau, für den ein Nigerianer verantwortlich gemacht wurde, und einem darauffolgenden Schussattentat eines Rechtsradikalen auf eine Gruppe Schwarzer in Macerata gingen die Wogen hoch.

Welche Auswirkungen könnte das Wahlergebnis auf Europa haben?

Europa sorgt sich vor allem wegen der italienischen Wirtschaft und der konjunkturellen Entwicklung. In Zeiten des Brexits würden die EU-Partner auch ungern eine antieuropäische Regierung an der Spitze der drittgrößten Volkswirtschaft sehen. Die Fünf-Sterne-Bewegung stellte beispielsweise bereits den Euro infrage.

Gibt es eigentlich keine Frauen in der italienischen Politik?

Natürlich gibt es die. Aber nur eine Partei, und zwar ausgerechnet die Fratelli d'Italia, wird von einer Frau angeführt. Giorgia Melonis rechtspopulistische Partei mit faschistischen Wurzeln ist der kleinste Partner im Rechtsbündnis um Silvio Berlusconi und hält in Umfragen bei rund 5,1 Prozent. (mhe, red, 27.2.2018)