Wählerstromanalyse zur Tiroler Landtagswahl vom Sonntag: ÖVP, SPÖ und FPÖ konnten ihre Wählerschaft zu großen Teilen halten. Viele Stimmen bewegten sich von Gruppen und Parteien, die nicht mehr zur Wahl angetreten sind.

  • Die ÖVP konnte mit 71 Prozent (90.000) ihrer Wähler aus dem Jahr 2013 von allen Parteien die meisten ein weiteres Mal von sich überzeugen. Die jeweils größten übrigen Ströme von und zur ÖVP sind dem Lager der Nichtwähler zuzuordnen: 32.000 zusätzliche Stimmen erhielt die ÖVP aus dieser Gruppe, musste im Gegenzug aber etwa 24.000 Stimmen wieder an sie abgeben. Außerdem profitierte die ÖVP wohl davon, dass die Liste Vorwärts nicht mehr antrat: Etwa ein Drittel (10.000) ihrer ehemaligen Stimmen wanderte zur ÖVP.
  • Die SPÖ behielt mit 70 Prozent annähernd so viele ihrer ehemaligen Wähler wie die ÖVP. Die größten Zugewinne kamen mit 9.000 Stimmen von den Grünen, ein knappes Viertel ihrer Wählerschaft von 2013. Nennenswerte Abwanderungen gab es von der SPÖ nur zu den Nichtwählern (7.000).
  • Die FPÖ behielt knapp zwei Drittel (63 Prozent, 19.000) ihrer Wähler, konnte aber ehemalige Nichtwähler (8.000) und Wähler der kleineren Parteien der Landtagswahl 2013 (8.000, etwa von Liste Gurgiser und Team Stronach) für sich gewinnen.
  • Die Grünen konnten gut die Hälfte (53 Prozent, 21.000) ihrer Wählerschaft des Jahres 2013 wieder mobilisieren, verloren aber etwa ein Viertel davon an die SPÖ.
  • 37 Prozent (7.000) ihrer Wähler bei der letzten Landtagswahl blieben der Liste Fritz treu, Zugewinne kamen etwa aus dem Lager der kleineren Parteien ("Sonstige").
  • Die Neos erhielten aus verschiedensten Lagern Zustimmung, die größten Ströme kamen aus der ÖVP- und Grünen-Wählerschaft von 2013.

Der Vergleich zur Nationalratswahl

Insbesondere aufgrund der zeitlichen Nähe bietet sich auch der Vergleich des Ergebnisses mit dem Landesergebnis der Nationalratswahl vom vergangenen Herbst an. Hier fällt auf, dass viele Wählerinnen und Wähler, die bei der Nationalratswahl ÖVP, SPÖ und FPÖ gewählt haben, anscheinend gar nicht zur Wahl gegangen sind. Insgesamt war die Wahlbeteiligung mit genau 60 Prozent um etwa 16 Prozentpunkte geringer als bei der Nationalratswahl, aber etwa gleich hoch wie bei der Landtagswahl 2013.

  • Die ÖVP konnte wiederum die meisten Anhänger erneut mobilisieren: 73 Prozent oder 115.000 ihrer Wähler der Nationalratswahl entschieden sich wieder für die ÖVP. Etwa 16 Prozent ihrer damaligen Wähler gingen gar nicht zur Wahl.
  • Ähnlich, jedoch mit verschobenen Verhältnissen, sieht es bei der SPÖ aus: 51 Prozent (43.000) wählten die SPÖ sowohl im Herbst 2017 als auch bei der Landtagswahl 2018, 36 Prozent (31.000) wanderten zu den Nichtwählern. Ein kleiner Strom (6.000 Stimmen) wanderte außerdem zur ÖVP.
  • Bei der FPÖ sind die Gruppen der "Stammwähler" und derer, die nicht mehr zur Wahl gegangen sind, bereits ähnlich groß: 41 Prozent (42.000) wählten erneut die FPÖ, 35 Prozent (36.000) wurden zu Nichtwählern. Etwa neun Prozent (9.000) der FPÖ-Wähler der Nationalratswahl wechselten zur ÖVP.
  • Die Grünen behielten 53 Prozent (9.000) ihrer Wähler der Nationalratswahl. Die zusätzlichen Stimmen kamen zu einem größeren Teil von ehemaligen ÖVP- und Liste-Pilz-Wählern (7.000 bzw. 6.000)
  • Der größte Strom zur Liste Fritz kam von jenen, die bei der Nationalratswahl die FPÖ gewählt hatten.
  • Die Neos erhielten viele Stimmen von jenen, die sie auch bundesweit gewählt hatten. Außerhalb dieser Gruppe konnten die Neos kaum Wähler gewinnen.
Staatswissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik erklärt, wie eine Wählerstromanalyse errechnet wird.
DER STANDARD

(Sebastian Kienzl, 26.02.2018)