Günther Platter und Peter Kaiser mögen unterschiedliche Typen sein, ihre Probleme in der Wahlbewegung sind ähnlich. Im Bild: Der Tiroler links und der Kärntner rechts, in der Mitte der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner.

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Sie werden auf sehr unterschiedliche Weise unterschätzt, der längstdienende schwarze und der kürzestdienende rote aktuelle Landeshauptmann in Österreich. Tirols Günther Platter und Kärntens Peter Kaiser wirken geradezu als Gegenentwürfe für die politische Repräsentation der regionalen Verwaltungsebene.

Bodenständiger Gendarm ...

Hier der bodenständige gelernte Buchdrucker und spätere Gendarm, dort der europäisierte spröde Intellektuelle und promovierte Philosoph. 1986, als sich Jörg Haider an die Spitze der FPÖ putschte, begannen beide als Gemeinderäte – der eine in Zams, der andere in Klagenfurt. 32 Jahre später war der eine und ist der andere ein überraschender Hoffnungsträger einer schon vergangen gewähnten Demokratiequalität – der absoluten Mehrheit.

... und promovierter Philosoph

Was Johanna Mikl-Leitner vor einem Monat in Niederösterreich gelungen ist, sollte sich insgeheim in Tirol fortsetzen. Daran hat die Volkspartei hinter den Kulissen mit Nachdruck gearbeitet. Dieses Ziel hat sie vor dem Vorhang vehement in Abrede gestellt. Denn das Schüren von niedriger Erwartungshaltung ist ein zentrales Element im Politpoker um die Absolute. Zumindest dies ist der ÖVP Tirol besser geglückt als der SPÖ Kärnten. In der einzigen 2018 veröffentlichten Umfrage (von IFAP für die Kronen Zeitung) kam die Neigungsgruppe Landeshauptmann mit "39 Prozent bis 41 Prozent" exakt auf die von ihm immer wieder genannte Wunschvorstellung: "Ein Vierer sollte vorn sein."

Für den Kärntner Kollegen spielt das Umfeld nicht ganz so gut mit: Die Krone-Veröffentlichung von "42 Prozent bis 44 Prozent" konnte infolge des Auftraggebers ÖVP für das Institut M+R noch als schwarze Mobilisierungstaktik abgetan werden. Doch damit ist es vorbei, seit OGM im Dienst der regional führenden Kleinen Zeitung zehn Tage vor der Wahl "44 Prozent" prophezeit hat. Noch am Tag der Veröffentlichung versuchte Kaiser abzuschwächen. Er tippte nach einer Elefantenrunde der Kleinen, die SPÖ käme auf 39,9 Prozent. Kaum etwas fürchten Favoriten so sehr wie die Demobilisierung ihres Wählerpotenzials durch die vermeintlich g'mahte Wiesn.

"vorn ein Sechser"

Die Tiroler ÖVP weiß ein Lied davon zu singen. 2003 wurde ihr unter Herwig van Staa sogar "vorn ein Sechser" zugetraut. Doch es wurden nur 49,9 Prozent. Die tiefe Enttäuschung des Spitzenkandidaten am Wahlabend täuschte fast darüber hinweg, dass diese relative Mehrheit in Mandaten (20 von 36) locker zur Absoluten gereicht hat – die bisher letzte in Tirol. In Kärnten müssen sie dazu noch viel weiter zurückblättern: Am Vorabend des Aufstiegs von Jörg Haider gelang dies 1984 noch einmal Leopold Wagner. Die Vorzeichen für Peter Kaiser, dies zu wiederholen, stehen ungeachtet der Umfragen sogar besser als für Günther Platter.

In Tirol wäre wohl eine Vielfaltsverringerung auf vier Fraktionen notwendig gewesen, um infolge gerissener Fünf-Prozent-Einstiegshürden bei acht antretenden Listen genügend verlorene Stimmen der ÖVP zuzuordnen. In Kärnten gehen die meisten Beobachter von lediglich vier, wenn nicht gar bloß drei Parteien im künftigen Landtag aus. Dort gelten die Grünen nicht nur laut Umfragen bereits als draußen, auch die Neos sieht man eher am Scheitern und das Team Kärnten auf der Kippe. Sogar wenn Letzteres den Wiedereinzug schafft, hätte die SPÖ mit den vorhergesagten 44 Prozent bereits die Hälfte aller Sitze.

Die seit der Niederösterreich-Wahl immer lauter geratende Spekulation mit weiteren absoluten Mehrheiten in Tirol und Kärnten steht in Konkurrenz zur noch spannenderen Frage allfälliger Koalitionen in diesen beiden Ländern. Wenn Platter sich die SPÖ aussucht, wäre das für Kaiser ein Signal, es umgekehrt auch ohne Erfordernis der ÖVP gleichzutun. Er hatte schon bisher trotz ausreichender rot-grüner Mehrheit die Volkspartei mit an Bord – um beispielsweise mit zwei Dritteln der Landtagsstimmen die Verfassung zu ändern.

Horrorszenario der Oppositionsbänke

Genau eine solche Erneuerung birgt aber nächsten Sonntag auch die größte Gefahr für die Sozialdemokraten im Süden. Durch die Abschaffung des Proporzsystems könnte die SPÖ dort sogar trotz eines rauschenden Wahlsiegs aus der Regierung fliegen. Sie hat also nicht nur die größeren Chancen, sondern auch das höhere Risiko als die ÖVP in Tirol, für die bisher noch nie das Horrorszenario der Oppositionsbänke realistisch war.

Deshalb werden in Kärnten die roten Parteigänger auch nicht müde, vor einer in Wien bereits ausgemachten blau-schwarzen Koalition in Klagenfurt zu warnen. Es ist ihr bestes Argument für eine eigene absolute Mehrheit. Unterdessen könnten die Signale nach Wien so oder so ein Schuss vor den Bug der Bundeskoalition sein. Wenn auch unabhängig von absoluten Mehrheiten weder in Tirol noch in Kärnten die FPÖ statt wie bisher den Grünen als Regierungspartei zum Zug kommt, zeigt das nicht nur eine klare grundsätzlich blaue Schwäche trotz jeweils deutlicher Stimmengewinne.

Das eine gälte als starke regionale Selbstbehauptung der guten alten Volkspartei gegenüber der neuen türkisen Kommunikationsbewegung. Das andere wäre ein Turbo zur Auferstehung der Sozialdemokratie. (Peter Plaikner, 26.2.2018)