Berlin – Wenige Tage vor dem Ende des Mitgliederentscheids wirbt die SPD-Spitze auf Veranstaltungen und in Medien massiv um ein Ja der Mitglieder zum Koalitionsvertrag mit den deutschen Unionsparteien. Die designierte SPD-Vorsitzende Andrea Nahles warnte in der Zeitung "Bild am Sonntag" vor der Idee einer CDU-geführten Minderheitsregierung als Alternative zur Großen Koalition.

Angesichts einer rechten Mehrheit werde die SPD da nichts von ihren Inhalten durchsetzen können und keinerlei Fortschritt für die Menschen erreichen. "Das geht nur in der Regierung", sagte die Fraktionschefin. Mehrere Spitzenpolitiker sprachen sich dafür aus, Juso-Chef Kevin Kühnert nach dem Mitgliederentscheid stärker in die Erneuerung der Partei einzubinden. Der 28-Jährige gilt als Anführer des Widerstands gegen eine Neuauflage des schwarz-roten Bündnisses.

Noch bis 2. März können die mehr als 463.000 SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen. Das Ergebnis soll am 4. März bekanntgegeben werden. Mehr als 20 Prozent der Stimmen wurden nach Angaben der SPD schon abgegeben. Damit ist die Abstimmung bereits gültig. Die SPD schloss am Sonntag in Ulm die Reihe ihrer Regionalkonferenzen ab, bei der die Parteispitze für ein Ja geworben hat.

"Ich bin optimistisch, aber es kommt auf jede Stimme an", sagte Nahles. Sie unterstrich zugleich, die SPD habe für den Fall des Scheiterns "keinen Plan B in der Schublade", sondern es werde mit Herzblut für ein Ja gekämpft. Nahles machte auch deutlich, dass sie ihr persönliches Schicksal nicht mit dem Ausgang des Mitgliederentscheids verbinde. "Die Zeiten von indirekten Drohungen sind vorbei."

Gabriel will Kühnert stärker integrieren

Der geschäftsführende deutsche Außenminister Sigmar Gabriel appellierte unterdessen an die SPD, Kühnert stärker zu integrieren. In der Sache sei er anderer Meinung als der Juso-Chef, sagte Gabriel dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Aber ihn beeindrucke das Engagement der Jusos um Kühnert. "Wenn es die SPD schafft, eine gute Regierung zu bilden und gleichzeitig diese junge Generation mit ihrem Engagement und Enthusiasmus zu halten, ist mir um die Zukunft der SPD nicht bange." Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte dem Magazin, es werde eine wichtige Aufgabe sein, Befürworter und Gegner einer Großen Koalition zusammenzuführen. Natürlich werde Kühnert eine wichtige Rolle bei der Erneuerung der SPD spielen.

Nahles sagte am Samstag nach einer Regionalkonferenz in Potsdam, ihre Idee sei, dass die Jusos auch in Zukunft eine aktive Rolle in der SPD spielen und wahrnehmbar sein sollten. Kühnert selbst signalisierte im "Spiegel", den Konflikt mit der SPD-Führung nicht auf die Spitze treiben zu wollen. Er sei sich der Tragweite seines Agierens bewusst. "Jetzt geht es im Zweifel ums Eingemachte", sagte er.

Einen Dämpfer erlebte die SPD in einer weiteren Umfrage: In der Emnid-Erhebung für die "Bild am Sonntag" verlieren die deutschen Sozialdemokraten gegenüber der Vorwoche zwei Punkte und rutschen auf einen Tiefstwert von 17 Prozent. CDU/CSU bleiben unverändert bei 33 Prozent.

Debatte um künftigen Kurs

Vor dem Hintergrund der Umfragewerte entbrannte in der Partei eine Debatte über den künftigen Kurs. "Was die Parteimitglieder und die Wähler umtreibt, ist das Fehlen von Perspektiven", sagte der Chef des Arbeitnehmerflügels, Klaus Barthel, dem "Handelsblatt". Notwendig seien eine andere Themensetzung und lange Linien für die Gestaltung der Arbeitswelt.

CDU-Vize Armin Laschet geht nach eigenen Worten von einer Zustimmung der SPD-Mitglieder aus. Diese seien im Schnitt 60 Jahre alt und seit langem dabei. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die am Ende ihrer Führung in dieser wichtigen Frage nicht folgen", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident im Deutschlandfunk. Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther zeigte sich gleichwohl besorgt. Die Entwicklung in den Umfragen dürfe die Begeisterung der SPD-Basis für eine Regierungsbeteiligung nicht vergrößern, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Aus Waldlaubersheim in Rheinland-Pfalz kündigte unterdessen das SPD-Mitglied Mario Lavan auf Facebook seine Kandidatur für den Parteivorsitz an, wie am Wochenende bekannt wurde. Lavan ist damit bereits der vierte Gegenkandidat von Nahles. Als erste hatte die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange ihre Bewerbung erklärt, es folgten Dirk Diedrich, Mitglied im SPD-Landesvorstand Schleswig-Holstein, und der Ortsvereinsvorsteher der SPD Stadland in Niedersachsen, Udo Schmitz. Die Abstimmung über den Parteivorsitz soll beim Bundesparteitag am 22. April stattfinden. (APA, 25.2.2018)