Wien – Ein "phantastisches Potenzial" bescheinigen Wissenschafter der Stammzellenforschung. Klinische Studien zur Behandlung von Krankheiten wie Parkinson würden derzeit beginnen, "in zwei, drei Jahren wissen wir, ob es geht", sagte Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) bei einer Pressekonferenz in Wien. Allerdings bewerten Experten die heimische Forschungsförderung in diesem Bereich als "ausbaufähig".

Am IMBA, eine Einrichtung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), wurde 2016 eine Stammzell-Initiative gestartet. Ausgestattet wurde sie mit 22,5 Mio. Euro vom Bund und der Stadt Wien. Die Mittel wurden damals IMBA-Chef Josef Penninger 2015 zugesagt, um ihn von einem Wechsel nach Deutschland abzuhalten. Erst vor wenigen Wochen wurde jedoch bekannt, dass Penninger an die University of British Columbia in Vancouver wechseln wird.

Neue Technologien

Mittlerweile arbeiten fünf Gruppen mit insgesamt 43 Wissenschaftern in der von Knoblich koordinierten Initiative. Zudem gibt es eine Stammzellen-Facility mit elf Mitarbeitern, wo Dienstleistungen auch für externe Forschergruppen angeboten werden. Etwa in Form einer Bank mit 17.000 verschiedenen Stammzell-Klonen, die jeweils eine Mutation in einem Gen tragen.

Knoblich ist überzeugt, "dass wir am Rande einer Revolution in der biomedizinischen Forschung stehen". Der Grund dafür sei, dass derzeit "vier Technologien zusammenkommen, die das Potenzial haben, die Forschung sehr fundamental zu verändern". So sei es immer leichter, das menschliche Genom komplett zu sequenzieren, "und ich sage vorher, dass in zehn bis 20 Jahren jeder sein Genom kennen wird und dass das eine Routineuntersuchung in einem Krankenhaus sein wird".

Zudem gebe es die Möglichkeit der Reprogrammierung von Zellen zu sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen). Das sind Körperzellen, die in eine Art embryonalen Zustand zurückversetzt wurden und sich wieder in jedes Gewebe verwandeln können. Schließlich sei es mittlerweile möglich, das Genom dieser Zellen beliebig zu verändern. "Wir können Mutationen einfügen und damit Krankheiten nachstellen oder in den Zellen Krankheiten heilen", so der Forscher.

Langer Weg zur Anwendung

Die immensen Chancen seien mit großen Hoffnungen von Patienten verbunden und als Stammzellforscher werde man oft mit der Frage konfrontiert, wann das in die klinische Anwendung komme, sagte Frank Edenhofer vom Institut für Molekularbiologie der Universität Innsbruck. "Vieles ist am Weg, aber es ist ein sehr, sehr langer Weg."

Knoblich verweist aber etwa auf Schweden, wo bereits klinische Studien zur Behandlung von Parkinson mit Hilfe von Stammzellen gestartet werden. "Da gibt es Vorversuche an einer sehr kleinen Zahl an Patienten, die extrem gut ausschauen." Er sei bei Prognosen immer sehr vorsichtig, "aber ich würde mit sehr großer Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass wir bei Parkinson oder Augenerkrankungen wie der Makuladegeneration eine klinische Anwendung noch sehen werden, solange ich noch Wissenschafter bin."

Marius Wernig, aus Österreich stammender Stammzellforscher an der Stanford University, sieht die Stammzellforschung in Wien im internationalen Vergleich "deutlich on the map", mit Knoblich und Elly Tanaka vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) seien "zwei Schwergewichte der Stammzellforschung hier tätig". Um die teilweise sehr fragmentierte Forschung in Österreich besser zu vernetzen, soll im Frühjahr die neue Österreichische Gesellschaft für Stammzellforschung ihre Arbeit aufnehmen.

Verbesserungswürdige Fördersituation

Verbesserungswürdig sieht Edenhofer die Fördersituation für die "teure" Stammzellforschung, hier sei man "im internationalen Vergleich schlecht aufgestellt". Es gebe viele Projekte, die hervorragend bewertet seien, die aber keine Förderung bekommen.

Zur 22,5-Mio-Euro-Förderung für die IMBA-Stammzell-Initiative sagte Wernig: "Das klingt nach einer großen Zahl, letztlich ist es gar nicht so viel Geld. Wenn man wirklich etwas bewegen will, ist das eigentlich zu wenig." So habe alleine das Gebäude seines Instituts in Stanford 200 Mio. Euro gekostet.

Dass IMBA-Chef Penninger, wie er Anfang Februar angekündigt hat, nun nach Kanada wechselt, kann Knoblich "durchaus verstehen". Es gäbe das IMBA ohne Penninger nicht, mittlerweile sei das Institut aber sehr stabil. Wie es weitergehe, liege in den Händen der ÖAW. (APA, 23.2.2018)