35 mal lebenslang für den Mord an 35 Menschen: Martin Bryant.

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Schüsse in Tasmanien – hunderte, tausende. Sie hallen bis heute nach. Wenn es einen Moment gibt in der jüngeren Geschichte Australiens, der das Land fundamental verändert hat – dann war es diese Stunde des Terrors. An einem Sonntagnachmittag im April 1996 betritt Martin Bryant ein Café in Port Arthur. Mit einem halbautomatischen Gewehr erschießt er in 15 Sekunden zwölf Menschen. Menschen fliehen, doch auch mit ihnen hat Bryant keine Gnade. Eine Mutter fleht um das Leben ihrer beiden kleinen Mädchen. Bryant grinst nur und drückt ab. 35 Menschen sterben an diesem Tag – das größte Massaker im modernen Australien.

Nur Monate später, und eine solche Tat wäre kaum mehr möglich gewesen. In Rekordzeit hatte Australien Gesetze eingeführt, die Import und Besitz von Schnellfeuerwaffen verbieten. Die Regierung kaufte die Waffen zurück. Der Protest war anfangs laut und kam aus den üblichen Ecken: Ultrarechte Nationalisten, Schützenvereine, Landwirte. Es hagelte Warnungen, Premierminister John Howard musste eine Zeitlang eine kugelsichere Weste tragen.

Ängste wurden geschürt: Bei einer Invasion durch "Chinesen" und "Muslime" könne man Haus und Hof nicht mehr verteidigen. "Seit ich ein Teenager bin, schlafe ich mit meinem geladenen halbautomatischen Gewehr neben dem Bett", gab Baggerfahrer Peter zu Protokoll. Er wolle bereit sein, wenn "die Horden aus dem völlig überfüllten Indonesien" kämen.

Crocodile Dundee und Politik

Doch die Australier, die so gerne den Mythos zelebrieren, ein rebellisches, antiautoritäres Volk von Pionieren im Stil von Crocodile Dundee zu sein, folgten dann doch dem, was ihnen die Politiker vorschrieben. In diesem Fall zu Recht. Das Programm wurde zum vollen Erfolg. Tonnen von Waffen landeten im Schmelzofen.

Seither gilt Australien als eines der sichersten Länder der Welt, was den Gebrauch von Feuerwaffen angeht. Wer ein Gewehr kaufen will – Einzelschuss, kleines Magazin -, muss zwingende Gründe haben. Betätigung in der Landwirtschaft gilt als einer, Mitgliedschaft in einem Schützenklub als weiterer. Angst vor einer Invasion gilt nicht. Waffenbesitzer müssen sich, nach vielen Tests und wochenlanger Wartezeit, an strikte Vorschriften halten. Die Polizei führt stichprobenartige Kontrollen durch, die Lizenz wird regelmäßig überprüft.

So hat es in 22 Jahren in Australien keine Massenschießerei mehr gegeben. Die Zahl von Verbrechen mit Feuerwaffen ist geht zurück. 2014 fiel die Mordrate auf unter eine Person unter 100.000 – ein Fünftel der USA.

Schützen haben sich längst an die neuen Bedingungen gewöhnt. Und die "Chinesen" und "Muslime" haben Australien noch immer nicht überfallen. Das hält aber Peter nicht davon ab, weiter mit dem Gewehr neben dem Bett zu schlafen. Allerdings ist es heute eine Schrotflinte. Mit zwei Patronen. (Urs Wälterlin aus Canberra, 24.2.2018)