Junges Liebespaar mit Goldkehlen: Anna Gillingham (Mélisande) und Julian Henao Gonzalez (Pelléas).

Foto: Herwig Prammer

Wien – Es ist ja nicht so, dass man es den leidgeprüften Opernheldinnen nicht gönnen würde, das überraschende lieto fine. Aber würden ihre Schicksale das Publikum dann im selben Maße mitreißen?

In Thomas Jonigks Inszenierung von Claude Debussys Pelléas et Mélisande an der Kammeroper hat die weibliche Hauptfigur die Angriffe ihres Mannes und die Geburt ihrer Tochter überstanden. Mélisande durchlebt die märchen- und albtraumhaften Geschehnisse nun also in ihrer Erinnerung, was für das szenische Geschehen eine Beschwernis bedeutet – zumindest in dieser ersten Opernregiearbeit des Deutschen.

Denn Mélisande betrachtet die Ereignisse meist vom rückwärtigen Teil der Bühne, und so muss etwa der arme Pelléas ewig die Balkongegend anschmachten statt die geliebte Frau seines Halbbruders. Und Golaud wiederum hat anstelle seiner untreuen Gattin hasserfüllt die Bühnenluft zu attackieren.

Zimmerenge Black Box

Die Vervielfachungen einiger Figuren, die Jonigk ratsam erscheinen, entschädigen das Publikum leider nicht für entgangene zwischenmenschliche Intensitäten. Und die zimmerenge Black Box (Ausstattung: Lisa Däßler), in der sich die Memoiren Mélisandes abspielen, ist einfach nur öde.

Die musikalische Seite hingegen beglückt: Die Kammermusikfassung von Annelies van Parys schafft mit kleinen Mitteln vielfältige Stimmungen. Anna Gillingham und Julian Henao Gonzalez geben das junge Liebespaar, wie aus reinen Quellen des Glücks fließen goldglänzende, weich schimmernde Töne aus den Kehlen der Britin und des Kolumbianers.

Kraftvoll der Bariton von Matteo Loi; der Arme hat mit Faschingsprinzuniform, Krönchen und Bärenhaupt aber nicht nur symbolisch schwer zu tragen. Beeindruckend Anna Marshania als gouvernantenhafte Geneviève, auch Florian Köfler sorgt sich als König Arkel sehenswert. Im Orchestergraben leiten Claire Levacher und der junge Thomas Guggeis alternierend die 13 Musiker des Wiener Kammerorchesters. (Stefan Ender, 24.2.2018)