Vizekanzler Heinz-Christian Strache (rechts) leistet FPÖ-Spitzenkandidat Markus Abwerzger Schützenhilfe im Tiroler Wahlkampf und bekräftigt seine Forderung nach Volksabstimmungen – allerdings "nur im Paket".

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ÖVP-Chef Sebastian Kurz verwies am Rande des EU-Gipfels darauf, dass die Beibehaltung der aktuellen Regelung Koalitionsbedingung der FPÖ gewesen sei.

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Innsbruck/Wien – Am Freitag versuchte der Vizekanzler noch einmal die Kurve zu kratzen: Keineswegs sei er gegen eine Volksabstimmung über ein Gastro-Rauchverbot, versicherte Heinz-Christian Strache auf STANDARD-Nachfrage bei einem Pressetermin in Tirol.

Gehe es nach ihm, könne eine solche sogar "schon heute, sofort" abgehalten werden. Die Einschränkung: Er wolle das nur, wenn gleich ein ganzes "Paket" an Themen zur Abstimmung komme. Und der größte Haken: "Dazu braucht es einen Partner." Konkret den Koalitionspartner ÖVP – und der spiele eben nicht mit.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in der "ZiB 2" zum "Don't smoke"-Volksbegehren am Donnerstagabend.
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"Koalitionsbedingung der FPÖ"

ÖVP-Chef Sebastian Kurz spielte am Rande des EU-Gipfels in Brüssel den Ball an die Blauen zurück. Er sympathisiere zwar mit den Anliegen des Volksbegehrens für ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie, wegen des Koalitionsabkommens seien ihm aber die Hände gebunden, erklärte Kurz der "Kleinen Zeitung". Und er erinnerte auch daran, dass die Beibehaltung der aktuellen Regelung "Koalitionsbedingung der FPÖ" war.

Die weitere Vorgangsweise ließ der Kanzler offen: "Ich bin dafür, dass wir das Endergebnis des Volksbegehrens einmal abwarten und dann in der Regierung und im Parlament behandeln."

Hinter den türkisen Kulissen herrscht mittlerweile jedenfalls gröbere Verwunderung über das Vorgehen der Freiheitlichen, die ihr Wording beinahe täglich ändern. Die Blauen sind beim Raucherthema in einem Dilemma: Seit jeher spricht sich die Partei auch für mehr direkte Demokratie aus – und inzwischen haben das aktuelle Nichtrauchervolksbegehren mehrere Hunderttausend Bürger unterschrieben. "Da hat der Vizekanzler wohl parteiintern Druck bekommen", heißt es aus dem Umfeld von Kanzler Kurz.

Keine Abstimmung vor 2021

Anfang der Woche hatten sich immer mehr Freiheitliche, vor allem aus den Ländern, dafür ausgesprochen, dass man die Antiraucherkampagne – sollte sie ein durchschlagender Erfolg werden – nicht ignorieren könne. Am Mittwoch sprach Strache am Rande des Ministerrats dann ein Machtwort: Vor 2021 sei ein Volksentscheid in Sachen Gastro-Rauchverbot ausgeschlossen.

Bei seinem Tirolbesuch Ende dieser Woche – dort ist am Sonntag eine Wahl zu schlagen – wollte sich der blaue Parteichef aber "sicher nicht den schwarzen Peter zuschieben" lassen, wie er sagte. Er würde das Volk abgesehen vom Rauchen auch gerne zu Tempo 160 auf Autobahnen, den Handelsverträgen Ceta und TTIP, zu den "ORF-Zwangsgebühren" und der "Schuldenunion" befragen, führte er aus. Doch die FPÖ sei nun einmal gezwungen, sich an das Regierungsübereinkommen zu halten.

Im türkis-blauen Pakt ist ein Ausbau direkter Demokratie erst für 2022 geplant. Dann – also eigentlich ab der nächsten Legislaturperiode – soll etwa gelten, dass über Anliegen von Volksbegehren, die mehr als 900.000 Stimmberechtigte unterschreiben, verpflichtend das ganze Wahlvolk entscheiden muss. Diese Änderung wäre allerdings ein derart weitreichender Eingriff in die Verfassung, dass zuerst schon einmal die Neuregelung einer Volksabstimmung unterzogen werden müsste.

Angst, Wähler zu verschrecken

In der Volkspartei erklärt man sich das Verhalten des Koalitionspartners nun damit, dass Strache langsam Panik bekomme, seine Wähler zu verschrecken. Viele FPÖ-Sympathisanten würden das Thema Rauchen mit Freiheit verknüpfen, und die wolle ihnen der blaue Vizekanzler auf keinen Fall nehmen. "Ich glaube deshalb auch nicht, dass sich am ursprünglichen Plan in den kommenden zwei Monaten etwas ändert", sagt ein Türkiser. Er meint damit: Das eigentlich geplante Rauchverbot wird durch einen Initiativantrag der Regierungsparteien in einer der nächsten Nationalratssitzungen aufgehoben – und beim Wirten bleibt vorerst alles, wie es ist.

Pröll: "Aufheben des Rauchverbots ist Rückschritt"

Am Freitagnachmittag zählte das "Don't smoke"-Begehren der Wiener Ärztekammer und Krebshilfe rund 361.000 Unterzeichner. "Die Unterstützungserklärungen sind ein Aufschrei der Bevölkerung, der ernst genommen werden muss", sagt Othmar Karas, Abgeordneter zum Europäischen Parlament für die ÖVP, im Gespräch mit dem STANDARD. Auch die schwarzen Landeshauptleute sprechen sich überwiegend für ein Rauchverbot in der Gastronomie aus. Am Samstag legte Tirols Landeshauptmann Günther Platter noch einmal nach. "Ja, ich bin für ein striktes Rauchverbot", sagte der Landeschef zu "Österreich". Und weiter: "Es soll darüber eine Volksabstimmung geben – ja, sicher!" Das Rauchergesetz sei ja "kein Wunsch von Sebastian Kurz gewesen, sondern ein Koalitionsthema der FPÖ", und die FPÖ müsse jetzt "die Verantwortung übernehmen".

Der frühere niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll hat das Volksbegehren bereits unterschrieben, Ex-Vizekanzler und -Parteichef Reinhold Mitterlehner wird das noch tun, wie beide dem "Kurier" erklärten. "Das Aufheben des Rauchverbots ist zweifelsohne ein Rückschritt und nicht sinnvoll", wird Pröll zitiert. Er warnt die Regierung zugleich davor, das laufende Volksbegehren einfach wegzuwischen. "Jede Regierung muss äußerst vorsichtig sein bei so einem Thema, dass man nicht die Glaubwürdigkeit verspielt, gerade nachdem man sich ja der direkten Demokratie verschrieben hat."

SPÖ pocht auf Nichtraucherschutz

SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner, bis vor kurzem Gesundheitsministerin, erklärte am Freitag zu den Aussagen von Strache auf STANDARD-Anfrage: "Es gibt keinen Grund, dass dem Nichtraucherschutz nicht zum Durchbruch verholfen werden kann. Es ist an der Zeit, dass Kanzler Kurz endlich Klarheit schafft!" (APA, Steffen Arora, Katharina Mittelstaedt, Nina Weißensteiner, 23.2.2018)