Sigurd Höllinger, langjähriger Hochschulsektionschef und "Erfinder" des Universitätsgesetzes samt Uniräten, würde sich ein etwas "ambitionierteres Prozedere" für die Auswahl der Mitglieder durch die Politik wünschen.

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STANDARD: Sie sind quasi der "Vater" des Unigesetzes (UG) und damit der Universitätsräte, jedenfalls haben Sie es entwickelt. Die Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat ihre 59 Unirätinnen und Uniräte nominiert, nicht alle drängen sich mit freiem Auge automatisch als uniaffin oder als Uni-Experten auf, einige haben einen problematischen Rechtsdrall ... Ist mit dieser Konstruktion zu viel Politik in die Universitäten gekommen?

Höllinger: Nein, zu viel Politik ist nicht drin, weil die politische Seite keine Mehrheit hat, und die Interessen des Staates sollten darin vertreten sein. Die Idee dahinter war, dass es mit der Übertragung von relativ viel Macht an die Universitäten – sie wurden ja in die Autonomie entlassen – notwendig war, in strategischen Angelegenheiten eine Aufsicht zu schaffen. Dazu haben wir eine Mischung von Uni-Entsandten, die nicht zur eigenen Universität gehören, und Vertretern, die die Regierung, die ja für die Finanzierung der Universitäten zuständig ist, schickt, konzipiert. Immerhin ist die Regierung dafür verantwortlich, dass sich die Unis so entwickeln wie vom Gesetzgeber gewünscht.

STANDARD: Die Kandidatinnen und Kandidaten, die die türkis-blaue Regierung für die neue Periode ausgewählt hat, stoßen vielerorts auf massive Kritik. Die Vorsitzende der Universitätenkonferenz und Rektorin der Akademie der bildenden Künste, Eva Blimlinger, sprach etwa von "parteipolitischer Versorgung", neun Personen sind laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Mitglieder "völkischer Burschenschaften". Ist das die Mischung, die Ihnen idealiter vorschwebte?

Höllinger: Die Regierung entscheidet, was sie den Universitäten an wertvollen Persönlichkeiten als Unirat überantworten oder auch zumuten will. Die Uniräte sollen die Interessen der Universitäten vertreten, und, das ist wichtig, keine Gruppe – weder die von der Regierung noch die von den Senaten selbst bestellten Uniratsmitglieder – hat eine Mehrheit. Sie müssen gemeinsam ein weiteres Mitglied wählen. Es gibt also weder eine "politische" noch eine "universitäre" Mehrheit im Unirat.

STANDARD: Bei einigen Uniratsmitgliedern der Regierung drängt sich der Eindruck auf, dass parteipolitische Nähe wichtiger war als die fachliche Qualifikation für eines der höchsten universitären Gremien. Entspricht das dem Geist "Ihres" Gesetzes? Im UG steht: "Der Universitätsrat besteht aus fünf, sieben oder neun Mitgliedern, die in verantwortungsvollen Positionen in der Gesellschaft, insbesondere der Wissenschaft, Kultur oder Wirtschaft, tätig sind oder waren und aufgrund ihrer hervorragenden Kenntnisse und Erfahrungen einen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Universität leisten können."

Höllinger: Im Gesetz sind die erforderlichen Qualifikationen relativ hoch, ob die Anforderungen wirklich erfüllt werden, ist eine andere Frage. Aber ich habe mir immer vorstellen können, dass man etwas ambitioniertere Prozeduren für die Auswahl der Uniräte macht. Bei den von den Unis ausgesuchten Uniratsmitgliedern hat man immerhin die Sicherheit, dass sie jemanden aus der wissenschaftlichen Welt auswählen.

STANDARD: Da höre ich zwischen den Zeilen doch einigermaßen unverhohlene Skepsis an der Auswahlpraxis der Politik durch ... Wenn ich Sie also frage, ob Ihnen die Uniratsmandatsvergabe etwas zu hemdsärmelig unter Parteifreunden vonstattengeht, dann würden Sie das bejahen?

Höllinger: Das würde ich bejahen.

STANDARD: Sollte man die Anforderungsprofile schärfen oder strengere Auswahlverfahren etablieren?

Höllinger: Die Regierung wäre frei, etwas ambitioniertere Prozeduren vorzusehen, mit denen man diesen Prozess erheblich seriöser machen könnte. Für die Auswahl der Verfassungsrichter, zumindest einige, ist ja auch ein Hearing vorgesehen. Mir würde das gefallen, und es würde dem Geist dieses Autonomiegesetzes und den Aufgaben der Universitäten besser entsprechen. Wenngleich die Nähe zu einer Partei kein Hinderungsgrund sein darf. Politikfern kann das Ganze nicht sein, aber die Hauptaufgabe der Uniräte ist und bleibt, den Unis zu dienen. Dazu müsste man geeignete Verfahren entwickeln. In Deutschland und in der Schweiz tauchen solche Probleme wie bei uns jedenfalls nicht auf.

STANDARD: Warum nicht?

Höllinger: Weil solche Besetzungen im Unibereich dort – im Interesse der Wissenschaft – ernster genommen werden. (Lisa Nimmervoll, 23.2.2018)