Kein Mittelalter-Game, egal ob Fantasy oder nicht, kommt ohne einer reichhaltigen Auswahl an Equipment für seine Protagonisten aus. Am auffälligsten sind freilich die Rüstungen, in denen sich die Helden den meist monumentalen Gefahren stellen.

Diese sehen oft spektakulär aus und bieten im Spiel Schutz vor Schwert, Drachenfeuer und fiesen Zaubersprüchen. PC Gamer hat die Schutzbekleidung von einem professionellen Waffenschmied, Craig Johnson von Arms & Armor, auf ihre Praxistauglichkeit überprüfen lassen. Mit unterschiedlichen Ergebnissen – ein Auszug.

Screenshot: Enclave

Große Hörner = große Probleme

In Action-RPG "Enclave" begegnet man im Laufe des Spiels irgendwann einer Gegnerin, welcher Johnson den Namen "Lady Von Buckethead" verpasst hat. Der Name ist Programm, erinnert ihr Helm doch frappierend an einen Kübel. Mit diesem hat der Schmied einige Probleme.

Erstens: Der fehlende Sichtschlitz dürfte es nicht unbedingt erleichtern, Gegner zu treffen. Zweitens: die riesigen Hörner, die auf der Seite hinausragen, mögen zwar angsteinflößend wirken, nützlich sind sie aber ganz und gar nicht. "Das Beste, was einem in einem Schwertkampf passieren kann, ist jemandem mit gigantischen Hörnern am Helm zu begegnen", so der Rüstungsprofi. Diese seien wie Hebel, an denen man ziehen oder draufhauen kann, um dem Gegner eine Gehirnerschütterung oder gar einen Genickbruch zu verpassen.

Screenshot: Lands of Lore

Ausgefallen, aber realistisch

Lob gibt es hingegen für den Bösewicht "Mylek" aus "Lands of Lore" – obwohl auch dieser zwei einladende Hörner am Helm besitzt. Der Rest scheint aber weitestgehend mittelalterlichen Vorbildern zu entsprechen. Myleks Brustpanzer mit dem eingelassenen Totenkopf erinnert den Johnson an den Schmied Filippo Negroli, der sich einst für ähnliche, kunstvoll verzierte Rüstungsteile einen Namen machte.

Screenshot: Lineage 2

Kaum bekleidet: Sind Frauen bessere Kämpfer?

Skeptisch gibt sich Johnson hingegen bezüglich so mancher Rüstung für weibliche Charaktere – insbesondere einem Elfen-Outfit in "Lineage 2". "Ich denke, da waren wohl nicht viele Frauen im Designteam", meint er zu dem freizügigen Outfit. Man müsse in einem Spiel nicht unbedingt realistisch am zeitgeschichtlichen Vorlagen kleben, aber zumindest innerhalb der eigenen Spielwelt konsistent bleiben.

"Wenn die Kerle extrem stark gepanzert sind (…), muss man das auch so weiterführen", meint Johnson. "Wenn jeder in Lederfetzen und Ringen herumläuft, dann ist das in Ordnung. Aber warum sollte eine Gruppe so und die andere Gruppe anders sein? Sind die Kerle so schlechte Kämpfer, dass sie die ganze Rüstung brauchen, weil die Mädels ihnen in den Arsch treten?"

"Lineage 2" ist nicht der einzige Titel, dem derlei Kritik zuteil wird. Auch die weibliche Spielfigur in "Deathtrap Dungeon" aus 1998 zieht beinahe hüllenlos in den monsterverseuchten Untergrund. Ihr männliches Gegenstück hingegen tritt in voller Metallmontur an. (red, 23.02.2018)