Berlinale zwischen Wettbewerb-Highlights wie Gus Van Sants "Don't Worry ..." (Joaquin Phoenix) und ...


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... politischem Engagement. Aktion #KlappeAuf: Lukas Miko, Katharina Mückstein, Ruth Beckermann und Ludwig Wüst (v. li.).


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"Ohne Geld keine Musi und auch kein Film." Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) war beim Berlinale-Empfang in der österreichischen Botschaft erkennbar um positive Signale bemüht. Gegen Kürzungen im Kulturbudget, sagte er gegenüber Branchengästen, wolle er unbedingt ankämpfen. Lobende Worte fand der Neo-Minister für Ruth Beckermanns essayistische Rückschau auf die Waldheim-Affäre, Waldheims Walzer. Beim Ausbruch der Affäre 1986 sei er gerade mal fünf Jahre alt gewesen, so Blümel, durch den Film habe er über dieses Kapitel Zeitgeschichte viel Neues erfahren.

Beckermann blieb wie die meisten anderen auf der Berlinale präsenten Filmschaffenden dem Empfang fern. Dann jedoch verliehen sie bei einer Pressekonferenz am Dienstagvormittag ihrer Sorge über die Umtriebe im eigenen Land Ausdruck. Unter dem Motto #KlappeAuf, das bereits beim Österreichischen Filmpreis im Jänner vom Schauspieler Lukas Miko annonciert wurde, präsentierten Katharina Mückstein, Ludwig Wüst und Beckermann einen bereits von 600 Filmschaffenden unterzeichneten "Aufruf gegen jegliche Hetze", gegen das "Gift der Spaltung" und für ein "Mehr an Solidarität". Gemeinsam fordert man die Regierung auf, "jede Zusammenarbeit mit rechtsextremen Gruppierungen" zu beenden.

Keine Zeitenwende nach Waldheim

Beckermann sprach davon, dass die erhoffte Zeitenwende nach der Waldheim-Affäre ausgeblieben sei. Ein "altes, ganz altes Gift" würde fortleben, es komme mittlerweile "sehr jung und sehr forsch und modisch daher". Statt von Rasse spreche man nunmehr von Kultur, so Beckermann weiter: "Welche Leitkultur meint das Regierungsprogramm eigentlich? Die Nibelungen in Dirndl und Lederhose? Oder den Slim-Fit-Mann, den das strickende Weib mit dampfender Krautsuppe erwartet?"

Um die Bevölkerung wachzurütteln und vor allem das Schweigen im Land zu brechen, wolle man dreiminütige interventionistische Filme realisieren, die ab April wöchentlich gezeigt werden sollen, sagte Katharina Mückstein dem Standard. "Uns geht es darum, analytisch und aufklärerisch zu agieren, auch an humoristische Zugänge zur Politik ist gedacht. Außerdem ist uns an einer Ausweitung der Plattform gelegen, sozial- und politikwissenschaftliche Ansätze könnten einbezogen werden."

Mückstein betont vor allem die Offenheit der Plattform in jede Richtung, auch aus Deutschland wurde bereits Interesse bekundet. Medien wie Die Welt und Spiegel Online planen Berichte über die Aktion. "Spannend sind ja gerade die unterschiedlichen Energien der Truppe", so Mückstein. Für sie selbst sei es wichtig, "den jungen Herren in der Regierung" eine andere Form von Geschlechterpolitik zu vermitteln. Bei der Diagonale im März, die sich mit #KlappeAuf solidarisch erklärt, sind weitere Veranstaltungen geplant.

Freilich verfolgen die Filmemacher auch schon mit ihren Filmen eine gesellschaftspolitische Agenda. Mit L'Animale (Sektion Panorama) will Mückstein "gegen die Angst und für die Emanzipation" eintreten. In der Erzählung des Films geht es um die Suche nach Selbstbestimmung. Sophie Stockinger, die schon in Mücksteins Debüt Talea zu sehen war, spielt Mati, einen Tomboy in der österreichischen Provinz. Mati hängt lieber mit den Burschen ihrer Motocross-Gang ab, als sich in die Mädchenschar einzufügen. Der stoische, unbezwingbare Charakter der Jugendlichen bestimmt die Konflikte dieses nuancierten Coming-of-Age-Films: Wie lässt sich eine leise Sehnsucht in einem Milieu erforschen, in dem Rollenmuster starr sind, ja nötigenfalls mit Gewalt verteidigt werden? Mückstein erforscht diese Fragen in L'Animale mit Sensibilität nicht nur anhand der Jugend.

Blick auf Minderheiten

Einen frischen Zugang auf das Leben eines Außenseiters findet auch US-Regisseur Gus Van Sant in seinem Wettbewerbsbeitrag Don't Worry He Won't Get Far On Foot. Ein orangehaariger Joaquin Phoenix verkörpert den 2010 verstorbenen Cartoonisten John Callahan, der sich in seinen Zeichnungen mit Vorliebe auch dem voreingenommenen Blick auf Minderheiten widmete. Selbst lange Alkoholiker und seit einem Autounfall querschnittgelähmt, fand dieser in einem dreist-inkorrekten Humor das Mittel, seinem Leben wieder Sinn zu verleihen.

Van Sants Film erzählt in Loops davon, wie Callahan in einer schrägen Gruppe Anonymer Alkoholiker zurück zur Selbstachtung findet. Das könnte leicht zum Erbauungsfilm werden, doch dem Feelgood-Movie glückt ein couragierter Spagat zwischen Komödie und erhebendem Drama über existenzielle Unwägbarkeiten. Wie Callahans Cartoons bewertet Gus Van Sant die Schwächen des Menschen nicht, sondern erkennt sie als gleichberechtigt an. Niederungen wie Erfolge des Helden werden mit derselben Selbstverständlichkeit komisch verbogen. (Dominik Kamalzadeh, 20.2.2018)