Nach einem Jahr und einem Tag in Untersuchungshaft ist Deniz Yücel frei.

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Istanbul/Berlin – Die türkische Justiz hat den Beginn eines Strafverfahrens gegen den deutschen "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel trotz dessen Ausreise aus der Türkei bestätigt. Als ersten Tag der Verhandlung im zentralen Justizgebäude im Istanbuler Stadtteil Çağlayan sei der 28. Juni angesetzt, teilte das 32. Strafgericht am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

Der deutsch-türkische Journalist war am vergangenen Freitag – mehr als ein Jahr nach seiner Festnahme – überraschend aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Er war noch am selben Tag aus der Türkei ausgereist.

Das Gericht hatte Yücels Freilassung angeordnet. Zugleich hatte das Gericht nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft angenommen. Darin werden Yücel Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Anadolu hatte gemeldet, Yücel drohten bis zu 18 Jahre Haft.

Anklageschrift auf drei Seiten

Yücel und die deutsche Regierung hatten wegen der langen U-Haft mit zunehmender Vehemenz die Vorlage einer Anklageschrift gefordert. Die Anklageschrift, die der dpa vorliegt, entspricht in weiten Teilen dem richterlichen Beschluss zur Untersuchungshaft vom 27. Februar 2017.

Sie trägt das Datum vom 13. Februar und ist mit nur drei Seiten Umfang ungewöhnlich kurz. Zum Vergleich: Die Anklageschrift gegen den inhaftierten früheren Chef der prokurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtaş, umfasst mehr als 600 Seiten.

Acht Artikel sollen als Beweis dienen

Als Beweise gegen Yücel führt die Staatsanwaltschaft nach rund einjährigen Ermittlungen im Wesentlichen acht Artikel des Korrespondenten an. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte im vergangenen April gesagt, Yücel sei "ein richtiger Agent und Terrorist" gewesen. Dazu liege "Bildmaterial und das alles vor".

Nach der Freilassung landete Yücel am Freitagabend in Berlin, verließ Deutschland jedoch bald darauf wieder. "Ich bin nicht in Deutschland. Aber ich bin unter Freunden", schrieb der 44-jährige "Welt"-Korrespondent am Samstag auf Twitter.

Yücel und sein Unterstützerkreis #FreeDeniz erhalten am Montagabend bei der Auszeichnung "Journalist des Jahres" einen Sonderpreis. Aller Voraussicht nach wird Yücel bei der Preisverleihung nicht anwesend sein. Bereits im Juni war er in Abwesenheit mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet worden. (APA, dpa, 19.2.2018)