Es ist eine Vision, die ganz neue Möglichkeiten in der Behandlung von Durchblutungsstörungen eröffnet: biologisch kompatible Bypässe aus eigenen Zellen des Patienten. Ein Team der Leibniz Universität des Niedersächsisches Zentrums für Biomedizintechnik, Implantatforschung und Entwicklung (NIFE) hat diese Möglichkeit in einer aktuellen Studie erforscht.

Durchblutungsstörungen in den Arterien können im schlimmsten Fall zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. In diesen Fällen müssen dringend Bypässe eingesetzt werden. Bei Gefäßprothesen aus synthetischem Material wird die Blutgerinnung dann dauerhaft durch Medikamente herabgesetzt, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich der Bypass aufgrund der Materialstruktur zusetzt und es erneut einen Gefäßverschluss gibt.

Diese gerinnungshemmenden Medikamente können Komplikationen auslösen. Synthetische Bypässe können sich außerdem infizieren. Venöses Eigenmaterial, das Patienten an anderer Stelle aus dem Körper entnommen und genutzt werden könnte, steht oft nicht in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung.

Bypässe aus dem Bioreaktor

An Bypässen aus tierischem Material wird schon länger geforscht – allerdings gibt es neben ethischen Bedenken bislang Probleme mit Abstoßungs- und Ablagerungsprozessen.

Als mögliche Option scheinen daher Bypässe aus eigenen Blut- und Gewebezellen des Patienten. Ihre Umsetzung haben die Wissenschafter des NIFE nun entwickelt. Dafür werden auf einer röhrenförmigen Gerüststruktur aus synthetischem Material – einem so genannten Scaffold – Zellen des Patienten angesiedelt. In einem Kultivierungsprozess im Bioreaktor entwickelt sich daraus ein Bypass, der dann implantiert werden kann. Der Scaffold wird später abgebaut, so dass die Gefäßprothese nur noch aus körpereigenem Material besteht.

"Im Bioreaktor müssen Umstände herrschen, die den Bedingungen im menschlichen Körper nachempfunden sind", erläutert Cornelia Blume vom Institut für Technische Chemie. Herzschlag und Blutdruck werden simuliert, damit in zwei bis drei Wochen ein Bypass entstehen kann.

Schafe als erste Probanden

"Der weitere Reifungsprozess findet nach der Implantation im Körper statt. Der beste Bioreaktor ist der Mensch", ergänzt sie. Die sensible Regelungs- und Sensortechnik sowie die Überwachung per Ultraschall – der Bioreaktor darf während des Prozesses so gut wie gar nicht geöffnet werden – haben Holger Blume und sein Team vom Institut für Mikroelektronische Systeme entwickelt.

Die Anwendbarkeit scheint gar nicht so fern: "Wir hoffen, dass wir in etwa drei Jahren so weit sind, die Bypässe in Versuchen mit Schafen zu testen", sagt Cornelia Blume. Daran schließt sich die klinische Phase mit dem Genehmigungsverfahren am Menschen an. Gelingt die Umsetzung, wären die körpereigenen Bypässe eine deutlich besser verträgliche Alternative zu herkömmlichen Bypässen aus synthetischem Material. (red, 19.2.2018)