Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hält in München ein Trümmerteil in die Höhe, das von einer über Israel abgeschossenen iranischen Drohne stammen soll.

Foto: AFP / Lennart Preiss

Es brummt wie in einem Bienenstock. Delegationen schieben sich durch die Gänge. Grimmige Sicherheitsleute geben sich Mühe, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Hostessen versuchen Herren in dunklen Anzügen in Besprechungsräume zu lotsen, in die sie tatsächlich gehören.

München, Hotel Bayerischer Hof, Sicherheitskonferenz. Mindestens so unübersichtlich wie der Tagungsort ist die Themenlage. Das ist jedes Jahr so. Was heuer – nach einem Jahr Trump'scher Freistilweltpolitik – neu erscheint, ist das allgemeine Gefühl in den Gängen, dass die Gefahren, die in München traditionell beschworen werden, tatsächlich real sind. "An den Abgrund – und zurück?" war das Motto der diesjährigen Tagung. Das Fragezeichen kam nicht von ungefähr.

Die allgemeinen Entwicklungslinien in München sind seit langem zu beobachten: Die Auflösung der westfälischen Friedensordnung. Neue nichtstaatliche Akteure (Ex-Google-Chef Eric Schmidt trat mit einer Entourage auf, die größer war als die mancher Staatschefs). Der Kampf zwischen demokratischen Staaten und autoritären Despoten. Die Fokuspunkte, an denen sich diese Linien materialisieren, waren diese:

  • Iran Donald Trumps Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster fand starke Worte gegen Teheran. Der Iran führe Stellvertreterkriege im Jemen, in Syrien und dem Libanon. Er rüste dort Milizen mit Waffen aus. Es sei an der Zeit, stärker gegen den Iran aufzutreten und zu handeln. Auch Investitionen dort sollten überdacht werden: "Wer im Iran investiert, investiert in die Revolutionsgarden."

Am Sonntag verglich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Wiener Atomdeal mit Teheran mit dem Münchner Abkommen zwischen Chamberlain und Hitler. Der Iran werde die größte Bedrohung weltweit sein, sobald er Atomwaffen habe. Israel werde nicht davor zurückschrecken, gegen Irans Stellvertreter, aber auch gegen den Iran selbst militärisch vorzugehen. Er zeigte einen Teil einer laut seinen Angaben iranischen Drohne her, die zuletzt über Israel abgeschossen worden sei. "Appeasement never works", sagte Netanjahu. Und: "Lasst uns nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen."

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Der frühere US-Außenminister John Kerry, einer der Architekten des Wiener Iran-Deals, widersprach leidenschaftlich. Der israelische Premier liege sachlich nicht richtig. Es gebe Inspektionen im Iran, Teheran kooperiere mit der internationalen Gemeinschaft. Es gebe keine Hinweise, dass Teheran an Nuklearwaffen arbeite. Es sei besser, Feuer zu löschen, als einen Brand zusätzlich zu entfachen.

Der iranische Außenminister Mohammed Javad Zarif erklärte am Sonntag, Netanjahus Comicansatz in der Frage verdiene keine Reaktion.

  • Türkei/Syrien/Nato Bei der türkischen Offensive in der nordsyrischen Kurdenprovinz Afrin stoßen zwei Nato-Partner aufeinander: Ankara und eine von Washington unterstützte Kurdenmiliz. Der türkische Premier Binali Yıldırım erklärte in München, die USA würden "Terroristen" in Syrien unterstützen. Daneben verteidigte er den Einsatz deutscher Leopard-Panzer in Syrien und hoffte auf deren Modernisierung, da der deutsche Journalist Deniz Yücel, der nun freigelassen wurde, kein Hindernis mehr bildet.

Gefahr eines Atomkonflikts

  • Nuklearwaffen Die USA verteidigten die geplante Entwicklung kleinerer Atomwaffen als Vorsichtsmaßnahme gegen die Aufrüstung Russlands. "Wir wollen die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen damit nicht senken, sondern erhöhen", sagte McMaster. Dies sei eine Reaktion darauf, dass Russland gegen den INF-Abrüstungsvertrag verstoße und selbst neue Waffen entwickle. "Wir werden nicht zulassen, dass Russland oder irgendein anderes Land die Bevölkerung Europas als Geisel nimmt. Wir glauben, dass dies die Abschreckungskraft der USA sehr stark erhöht." Der russische Diplomat Sergej Kisljak erklärte dagegen, Russland habe den Eindruck, dass in der US-Regierung Atomwaffen eher als Mittel des Krieges gesehen würden denn als Abschreckungsmittel. Kisljaks Chef, Außenminister Sergej Lawrow, ließ überdies wissen, dass er den Anklagen gegen 13 Russen wegen Wahlmanipulation in den USA gelassen entgegensehe.

Gelähmte EU

  • Brexit Die britische Premierministerin forderte in einer Rede eine Sicherheitspartnerschaft mit der EU bis Ende 2019. Sie erklärte – auf Deutsch –, dass das Vereinigte Königreich aus der EU und nicht aus Europa austrete. EU-Verhandler Michel Barnier sagte nach der Rede im Gespräch mit dem STANDARD: "Wir warten noch immer auf eine britische Position zum Brexit." EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker machte einmal mehr deutlich, dass die Union in der Außen- und Sicherheitspolitik vom Prinzip der Einstimmigkeit abkommen müsse. Ebenso müsse die EU endlich auch militärisch PS auf den Boden bringen. Was die Einstimmigkeit betrifft, mahnte Kanzler Sebastian Kurz die großen Länder, zunächst einmal nicht dauernd außenpolitische Alleingänge zu machen.

UN-Truppen für den Donbass

  • Ukraine Für die Konferenz war eine Gesprächsrunde zwischen Moskau, Kiew, Paris und Berlin angesetzt. Diese wurde mehrmals verschoben und schließlich ganz abgesagt. Es waren keine Fortschritte zu erzielen in Sachen einer möglichen UN-Friedenstruppe für den Donbass. Die Ukrainer wollten diese an ihrer Staatsgrenze stehen haben, die Russen an der Kontaktlinie, an der ukrainische und Rebellentruppen getrennt wurden. Sollte diese UN-Truppe zustande kommen, will Österreich laut Kurz eine Beteiligung ernsthaft prüfen. Auch die Schweden haben das zugesagt. (18.2.2018)