Leipzig/Wien – Sie sind die größten auf Bäumen lebenden Tiere und an ein Leben in den Kronen tropischer Regenwälder angepasst: die rothaarigen Orang-Utans aus der Familie der Menschenaffen. Sie kommen heute nur noch auf den südostasiatischen Inseln Borneo und Sumatra vor. Sämtliche Artenschutzmaßnahmen der letzten 50 Jahre konnten nicht verhindern, dass die Zahl der Orang-Utans weiterhin dramatisch sinkt. Das hat ein internationales Team aus Forschern von 38 Institutionen unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig zumindest für Borneo festgestellt.

Ein Leben in den Bäumen: Das wird für Orang-Utans auf Borneo immer schwieriger.
Foto: Marc Ancrenaz

Zwischen 1999 und 2015 verschwanden auf der Insel etwa 148.500 Orang-Utans – das ist in etwa die Hälfte der davor ansässigen Population -, berechneten die Forscher im Rahmen einer im Fachmagazin "Current Biology" erschienen Studie. Dabei griffen sie auf eine umfangreiche Datensammlung aus zahlreichen Feldstudien zurück, in denen 36.555 Nester beobachtet werden konnten. Nur in 38 von 64 größeren Orang-Utan-Gemeinschaften lebten mehr als 100 Individuen, stellten die Forscher fest – diese Zahl gilt als Untergrenze, damit eine solche Gemeinschaft überhaupt überlebensfähig ist.

Um die Ursachen für den dramatischen Rückgang festzumachen, analysierten die Forscher Verschiebungen in der Landnutzung. Insbesondere Plantagen für Ölpalmen und für die Zellstoffindustrie schränken die Lebensräume der Orang-Utans immer weiter ein. "Der Rückgang war am größten in Gebieten, die abgeholzt und in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt wurden", sagt Maria Vogt vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. "Dennoch war der zahlenmäßige Verlust am größten in bewaldeten Gebieten."

Überleben auf Plantagen

Das liege einerseits daran, dass in den Primärwäldern die meisten Orang-Utans vorkommen, würde aber auch darauf hindeuten, dass die Bedrohung durch den Menschen, etwa das Töten von Tieren in Konfliktsituationen und die Jagd für Fleisch und Tierhandel, eine gewichtige Rolle spielt.

So sensibel die Orang-Utans auch sind, sie seien widerstands- und anpassungsfähiger als gedacht und könnten auch in fragmentierten Landschaften aus Wald und Plantagen überleben, sagen die Forscher. "Was sie aber nicht verkraften können, sind die hohen Tötungsraten, die wir derzeit beobachten", sagt Serge Wich von der Liverpool John Moores University, der federführend an der Studie beteiligt war. "Orang-Utans haben nur selten und wenig Nachwuchs. Eine frühere Studie zeigt: Wenn nur einer von 100 ausgewachsenen Orang-Utans pro Jahr aus einer Population entfernt wird, stirbt diese Population sehr wahrscheinlich aus."

Die größte Gefahr für den Menschenaffen ist der Mensch
Foto: Serge Wich

Es gibt aber auch Positives zu vermelden: Immerhin hätten die Daten gezeigt, dass es auf Borneo mehr Orang-Utans gibt als bisher gedacht und einige Populationen sehr stabil zu sein scheinen, so die Forscher. Weitere Gegenmaßnahmen seien aber dringend nötig: Allein durch weitere Regenwaldabholzungen könnten in den nächsten 35 Jahren weitere 45.000 Orang-Utans sterben – die Konsequenzen von Jagd und Tötungen noch nicht eingerechnet.

Nun müsse die Botschaft der Studie von den Verantwortlichen der zwischen Indonesien, Malaysia und Brunei aufgeteilten Insel aufgegriffen werden, um Strategien für den Erhalt der Orang-Utans zu entwickeln – und genauer zu erforschen, welche Hintergründe die Tötungen der Menschenaffen haben. (Karin Krichmayr, 15.2.2018)