Straßburg – Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Nils Muiznieks, hat sich "alarmiert" über das geplante ungarische Gesetz zur Kontrolle von Flüchtlingshilfsorganisationen geäußert. Sollte Ungarns Parlament die Vorlage tatsächlich verabschieden, würde die "unverzichtbare" Arbeit von Organisationen, die Flüchtlingen helfen, weiter erschwert, warnte Muiznieks am Donnerstag.

Zahlreiche Organisationen, die in Ungarn humanitäre Arbeit leisteten, würden "stigmatisiert", sagte der Europarats-Experte. Zugleich würde ihre Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt, was gegen internationale Menschenrechtsstandards verstoße.

"Eskalierende Rhetorik"

Der ungarische Gesetzentwurf zielt auf Nichtregierungsorganisationen (NGO) ab, die "aus dem Ausland finanziert" werden. Muiznieks befürchtet, dass das Gesetz vor allem Organisationen und Personen beträfe, die die Menschenrechte von Einwanderern, Asylbewerbern und Flüchtlingen schützen wollen. Ein solches Engagement sollte aber "in einer demokratischen Gesellschaft voll legitimiert sein".

"Alarmiert" äußerte sich der Menschenrechtsbeauftragte auch über die "eskalierende Rhetorik" der ungarischen Regierung gegenüber NGOs. Sie werfe ihnen vor, "Einwanderung zu organisieren" und die Sicherheit des Landes zu gefährden. Die Regierung in Budapest habe zudem erklärt, die Ungarn sollten wissen, "welche Organisationen die Zusammensetzung der ungarischen Bevölkerung auf Dauer ändern wollen".

Solche Äußerungen schürten in der Bevölkerung Ängste und stärkten die Intoleranz gegenüber Ausländern, warnte der Europarats-Experte.

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte das Gesetz. "Die Versuche der ungarischen Regierung, bestimmte NGOs zu stigmatisieren, haben sich zu einem Frontalangriff auf die Zivilgesellschaft entwickelt: Das neue Gesetz bedroht die Existenz von Organisationen, die in Ungarn wichtige Arbeit leisten – einschließlich die Menschenrechtsarbeit von Amnesty International", sagte Europadirektorin Gauri van Gulik laut einer Aussendung, die der APA vorliegt.

Arbeit behindern

"Dieses Gesetz würde der Regierung einen Freibrief geben, NGOs unter fadenscheinigen Vorwänden unter Druck zu setzen und ihre Arbeit zu behindern. In Wirklichkeit hat es nichts mit dem Schutz der nationalen Sicherheit zu tun – es ist ein Maulkorb für diejenigen, die bedürftigen Menschen helfen und es wagen, ihre Stimme zu erheben. "

Der am Dienstag von der rechtskonservativen ungarischen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban veröffentlichte Gesetzentwurf sieht eine Steuer von 25 Prozent auf ausländische Finanzmittel für Organisationen vor, die "illegale Einwanderung unterstützen". Ausländern droht demnach ein Aufenthaltsverbot, wenn sie im Verdacht stehen, die Einreise von Asylbewerbern zu fördern. Ungarischen Bürgern können die Behörden laut Gesetzentwurf untersagen, sich der Grenze des Landes zu nähern.

Gesetzespaket "Stop Soros"

Zudem sollen sich NGOs künftig einer "Überprüfung" durch die Sicherheitsdienste unterziehen, bevor sie ihre Arbeit aufnehmen dürfen. Sollten sie keine Genehmigung für ihre Tätigkeit beantragen oder sollte ihnen die Genehmigung verwehrt werden, droht ihnen laut Regierungssprecher Bence Tuzson eine Geldbuße und im Wiederholungsfall ein Verbot.

Das Gesetzespaket mit dem Namen "Stop Soros" richtet sich insbesondere gegen den aus Ungarn stammenden US-Milliardär George Soros, der mit seinen Stiftungen mehrere ungarische Bürgerrechtsorganisationen unterstützt. Orban wirft Soros vor, von außen eine "Masseneinwanderung" in die EU zu steuern.

Wegen des Vorgehens gegen im Ausland finanzierte NGOs und Universitäten hatte die EU-Kommission Ungarn bereits im Dezember vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Anlass war ein im vergangenen Juni verabschiedetes erstes NGO-Gesetz, wonach sich Organisationen, die jährlich mehr als 24.000 Euro aus dem Ausland erhalten, registrieren lassen müssen. Zudem müssen sie dem Staat ihre Finanzquellen offenlegen. (APA/AFP, 15.2.2018)