Chloe Kim (links) mit Teamkollegin Arielle Gold in Pyeongchang.

Foto: APA/AFP/LOIC VENANCE

Bild nicht mehr verfügbar.

Ihre Eltern begleiteten die Snowboarderin nach Südkorea.

Foto: REUTERS/Mike Blake

Bild nicht mehr verfügbar.

Auf dem Weg zur Goldmedaille.

Foto: REUTERS/Dylan Martinez

Es passiert nicht oft, dass das Bild einer Sportlerin, auf anderthalb Meter Breite vergrößert, die Kammer des Senats in Washington schmückt. Chloe Kim ist denn auch die seltene Ausnahme. Kaum hat die Snowboarderin in der Halfpipe von Pyeongchang olympisches Gold gewonnen, wird sie auch schon zur Symbolfigur der amerikanischen Einwanderungsdebatte. Mit einem Motiv, das aus Bilderbüchern des fahnenschwingenden Patriotismus stammen könnte.

Das Haar zerzaust, in den Händen ein Sternenbanner, naturgemäß glücklich lächelnd, so stellte sich die 17-Jährige nach ihrem Sieg vor die Fotografen. "America's Sweetheart", titelten die Zeitungen. Lukrative Werbeverträge locken, der Hype lässt an Basketballstars und Football-Quarterbacks denken. Dass Dick Durbin, ein altgedienter Senator aus Chicago, das Foto von der Piste auf eine Staffelei neben einem hölzernen Rednerpult hob, hatte mit Sportbegeisterung allerdings nur am Rande zu tun. "Chloe Kims Geschichte ist die Geschichte der Einwanderung nach Amerika", sagte Durbin. "Wir reden von der Tochter eines Immigranten, der nichts besaß, als er hier ankam."

800 Dollar und ein Wörterbuch

Als Jong Jin Kim 1982 seine südkoreanische Heimat verließ, um sein Glück in Kalifornien zu versuchen, hatte er 800 Dollar im Portemonnaie und ein Wörterbuch im Gepäck. Sein Englisch beschränkte sich auf wenige Brocken, einen Abschluss konnte er auch nicht vorweisen. Sein erstes Geld verdiente er, so klischeebeladen das klingen mag, als Tellerwäscher eines Fastfood-Restaurants. Dann saß er an der Kasse eines Spirituosenladens, bis er an einem College in Los Angeles Ingenieurwissenschaften studierte.

Als Jong Jin und seine Frau Boran das Talent ihrer Tochter erkannten, kutschierten sie die Kleine regelmäßig zum Snowboard-Training am Mammoth Mountain, einem Dreitausender in der Sierra Nevada. Sechs Stunden für eine Strecke. Da war Chloe gerade einmal vier, und nach ihrem achten Geburtstag hängte ihr Vater seinen Beruf an den Nagel, um ihre Karriere zu fördern. So extrem der Fall vielleicht ist: Elterlicher Ehrgeiz, verbunden mit ausdauerndem Autofahren – in den Ohren mancher "Soccer Mom", die Stunden damit verbringt, den weiblichen Nachwuchs auf dem Fußballplatz anzufeuern, klingt die Geschichte ziemlich vertraut.

Trump will Familiennachzug begrenzen

Eine klassisch amerikanische Biografie, argumentieren Demokraten wie Durbin, während sie sich im Parlament gegen Pläne Donald Trumps auflehnen. Dem Präsidenten schwebt vor, das Einwanderungsregime neu zu ordnen und den Familiennachzug drastisch zu begrenzen. Wer bereits eingebürgert ist oder mit unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung im Land lebt, soll künftig nur noch Ehepartner oder minderjährige Kinder nachholen dürfen.

Bislang kann er auch Geschwistern, Eltern und erwachsenen Kindern den Weg in die USA ebnen, eine Praxis, die Trump abschätzig Kettenmigration nennt und die er beenden möchte. Nach seinen Vorstellungen soll Vorfahrt haben, wer entweder studiert oder einen Beruf erlernt hat und der Wirtschaft erkennbaren Nutzen bringt. Was seine Kritiker die Causa Jong Jin Kim ins Spiel bringen lässt. Hätten solche Regeln schon 1982 gegolten, wenden sie ein, hätte er es wohl nie nach Kalifornien geschafft.

Dick Durbin, Sohn eines irischen Vaters und einer aus Litauen stammenden Mutter, hat es in zwei prägnanten Sätzen zusammengefasst. "Du kommst ohne Vermögen, ohne richtige Englischkenntnisse und ohne Diplom, allein mit dem festen Willen, ein besseres Leben zu beginnen. Das ist sie, die amerikanische Story." (Frank Herrmann aus Washington, 15.2.2018)