Die Chefin von Ant Financial treibt die technologische Entwicklung in Chinas Finanzbereich konsequent voran.

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Wien – Seit dem Börsengang des chinesischen Onlinehändlers Alibaba im Jahr 2014 ist Lucy Peng, Mitgründerin des chinesischen Internetriesen, eine reiche Frau. Damit war der Unternehmergeist der 45-Jährigen, deren Vermögen von Forbes auf 1,14 Milliarden Dollar geschätzt wird, keineswegs gestillt. Heute ist sie Chefin des Alibaba-Ablegers Ant Financial, der als eines der kostbarsten Start-ups mit einem kolportierten Unternehmenswert von 120 Milliarden Dollar weltweit gilt. Bekanntestes Produkt der Ameisen ist der Bezahldienst Alipay, der mit dem Mitbewerber Wepay den Umgang mit Geld im Reich der Mitte umgekrempelt hat.

Denn Bargeld ist in China ein Auslaufmodell. Eine Dreiviertelmilliarde Menschen nutzt mobiles Internet, auch zum Zahlen und Bezahltwerden, etliche Geschäfte nehmen Bargeld nur noch widerwillig entgegen. Vor allem junge, urbane Chinesen haben längst ihr Mobiltelefon zur elektronischen Brieftasche ausgebaut. Fast 100 Billionen Yuan, des entspricht rund 13 Billionen Euro, wurden im Vorjahr auf diese Weise transferiert, Tendenz stark steigend. Und von diesem Kuchen wird etwas mehr als der Hälfte über Alipay abgewickelt, woran Ant Financial prächtig verdient.

Bezahlen ist eines

"Bezahlen ist nur die Spitze des Eisbergs", sagte Peng Ende des Vorjahres. Die wirklich großen Dinge würden sich noch weitgehend unter der Oberfläche abspielen. Neben Alipay hat sich der Finanzdienstleister auch eine Sparte für Konsumentenkredite aufgebaut, ist in der Vermögensverwaltung tätig – und will nun auch den Versicherungsmarkt auf den Kopf stellen.

Genau dies traut ihm die Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group auch zu, allerdings nicht nur auf Ant Financial bezogen, sondern generell auf innovative Anbieter aus der Versicherungsbranche des Landes. In der aktuellen Studie "Warum chinesische Versicherer den Weg zu digitaler Innovation zeigen" kommen die Experten des Hauses zu dem Schluss: "Viele Versicherungen außerhalb Chinas hinken der digitalen Entwicklung weit hinterher, speziell im Vergleich mit chinesischen Branchenvertretern."

Um in diesem Bereich Erfolg zu haben, müssen Anbieter laut den Studienautoren mit neuen, teilweise voneinander abhängigen Technologien umgehen und diese einsetzen lernen. Dazu zählen sie Big Data, also riesige Datenmengen. Deren Analyse könne einerseits die Preisfestsetzung von Polizzen verbessern und auch für eine effektivere Erkennung von Versicherungsbetrug sorgen.

Denkende Maschinen

Ebenfalls von Bedeutung ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz, vereinfacht gesagt sind das denkende und lernende Maschinen. Diesen wird in der Studie das Potenzial zugesprochen, der Versicherungswirtschaft generell Effizienzgewinne zu gewähren. Im Kfz-Bereich könne künstliche Intelligenz mittels Unfallfotos Schadenfälle analysieren.

Auch die Blockchain, also die Technologie hinter Kryptowährungen wie Bitcoin, Cloud-Computing sowie das Internet der Dinge – Fahrzeuge könnten etwa selbstständig Daten an den Versicherungsanbieter übermitteln – können laut Boston Consulting Assekuranzen dabei helfen, Kosten zu verringern und die Effizienz zu erhöhen.

Als Beispiel werden in der Studie auch zwei Innovationen aus dem Hause Ant Financial angeführt, das zwei Werkzeuge für Kfz-Versicherer entwickelt hat. Dabei handelt es sich um eines eben zur Analyse von Unfallfotos mittels künstlicher Intelligenz. Es analysiert Schäden, leitet den Unfallhergang ab – und soll durch den Vergleich mit ähnlichen Daten dazulernen. Unter dem Strich soll eine verlässliche Bewertung binnen Sekunden erfolgen. Das zweite Tool soll das individuelle Risiko von Versicherungsnehmern anhand des Berufs, Fahrverhaltens und anderer Daten ermitteln.

Ein Onlineversicherer, der diese Möglichkeiten bereits einsetzt, ist Zhong An, das 2013 von Ant Financial, der Assekuranz Ping An und der Internetfirma Tencent gestartet wurde. Drei Jahre später erzielte das Unternehmen Prämieneinnahmen von einer halben Milliarde Dollar bei einem jährlichen Wachstum von fast 50 Prozent.

Strategien abschauen

Mit Blick auf die europäische Versicherungsbranche betonen die Studienautoren, dass diese einige der in China entwickelten Digitalstrategien übernehmen und anpassen könne. Dabei sollte sie sich jedoch an folgende Grundsätze halten, also offen sein für Innovationen oder, wie es die Autoren der Studie ausdrücken: "Neues Denken kann neue Möglichkeiten eröffnen." Man sollte stets im Fokus haben, damit auch Probleme der Kunden lösen zu können.

Eine Bewährungsprobe dieser Onlinestrategie steht den Ameisen rund um Lucy Peng voraussichtlich im nächsten Jahr ins Haus. Nämlich wenn sie, wie Beobachter erwarten, Ant Financial an die Börse führen wird und Investoren von den Vorteilen ihres Digital-Fokus überzeugen muss. (Alexander Hahn, 17.2.2018)