Deutschunterricht für Zuwanderer funktioniert in Klassen, in denen sich deutschsprachige und nichtdeutschsprachige Kinder die Waage halten.

Foto: Heribert CORN

Ich kenne die österreichische Situation des Deutschunterrichts für nichtdeutschsprachige Kinder aus beruflicher und privater Sicht seit 40 Jahren (unsere ersten Schüler waren Bootsflüchtlinge). Über die unlängst bekanntgegebenen, neuen Maßnahmen der Regierung bin ich entsetzt. Sie sind ein massiver pädagogischer Rückschritt, aus praktischen Gründen nicht durchführbar, und sie sind Konzepte der 1970er-Jahre. Die wichtigsten Gründe dafür sind:

· Erstens Es gibt wahrscheinlich (wieder einmal) nicht genug Geld. In 40 Jahren habe ich es noch nie erlebt, dass die Integration nichtdeutschsprachiger Kinder ausreichend finanziert gewesen wäre. Warum sollte sie es jetzt sein? Der Finanzminister hat vor einigen Wochen ausweichend auf die Frage der Finanzierung geantwortet. Also: wieder dasselbe.

· Zweitens Platzgründe: Es gibt in vielen Schulen für eigene Deutschklassen keinen ausreichenden Platz, und es erscheint undenkbar, dass man plötzlich neue Klassen dazubaut. Hinzu kommt: In jenen Bezirken Wiens, wo die Mehrzahl der Kinder in der ersten Klasse Volksschule nicht deutschsprachig ist, muss man die Klasse teilen, weil ein Sprachunterricht mit 25 (und mehr) Kindern pro Klasse pädagogisch nicht möglich ist. Die Höchstzahl für solche Klassen liegt bei zwölf bis 15 Kindern. Wird der Finanzminister das Geld dafür hergeben? Oder wird man doch 25 Kinder in eine Deutschklasse stecken und in die Zeiten des alten Lateinunterrichts zurückfallen!?

Keine Tests vorhanden

· Drittens Testtechnische Gründe: Die Kinder sollen regelmäßig getestet werden! Aber: Es gibt meines Wissens keine österreichischen Tests und vor allem keine, die anhand des österreichischen Deutsch erstellt wurden (ich wäre froh, mich zu irren). Wahrscheinlich ist, dass es wieder Tests sind, wie sie regelmäßig aus dem hohen deutschen Norden importiert werden, die an den österreichischen Normen vorbeigehen und damit den Kindern eine Norm vorgeben, die sie gar nicht beherrschen können. Damit ist dann garantiert, dass die Kinder fix ein Jahr in der Deutschklasse bleiben müssen.

Ohne Deutschsprachige

· Viertens Pädagogische Gründe (die wichtigsten): Wenn man Kinder im Alter von sechs Jahren in Deutsch unterrichten will – und nur in Deutsch -, was ist dann der Inhalt des Unterrichts? Klarerweise müssen die Kinder lesen und schreiben lernen, so wie das ohnehin in der ersten Klasse vorgesehen ist. Warum muss man sie dann in eine eigene Klasse stecken? Wohl nur, damit die deutschsprachigen Kinder nicht "behindert werden", denn wären sie zusammen mit anderen Kindern, die schon Deutsch können, wäre der Lernfortschritt (bei entsprechend ausgebildeten Lehrern) ungleich höher.

Hier wird man einwenden, dass die meisten Kinder im Volksschulalter in Wien nicht deutschsprachig sind und ein gemischter Unterricht gar nicht möglich ist. Das ist prinzipiell richtig. Es braucht daher alternative Unterrichtsmodelle als die derzeit gewählten: (a) Ein integratives Modell an jenen Schulen, wo die Anzahl deutschsprachiger und nichtdeutschsprachiger Kinder sich ungefähr die Waage hält. Das lässt sich durchführen, indem drei Klassen zu einem Verband zusammengefasst werden, die zwei Stunden Regelunterricht mit den deutschsprachigen Kindern erhalten. Eine zusätzliche Lehrkraft nimmt dann für weitere zwei Stunden die nichtdeutschsprachigen Kinder aus der Klasse heraus und erteilt diesen anhand des jeweiligen Unterrichtsstoffs Deutschunterricht.

Ein solches Modell haben wir im Jahre 1990 in Graz ein Jahr lang erfolgreich erprobt. Die nichtdeutschsprachigen Kinder konnten dem Unterricht nach einem halben Jahr problemlos folgen. Eines dieser Kinder war in Deutsch am Ende der Volksschulzeit das beste der gesamten Schule. Das Modell hat nur deshalb funktioniert, weil die Kinder in der Klasse integriert waren und der Sprachunterricht auf zwei Stunden pro Tag begrenzt war. Alles andere wäre eine Überforderung gewesen.

Bessere Lehrer ...

Und (b), Modell 2: mehrsprachiger Unterricht mit mehrsprachigen Lehrern in Klassen für die größten Sprachgruppen (mehrsprachige Einschulung) an einem Schulstandort. Das ermöglicht gegenseitiges Sprachlernen. Das Modell gibt es an mehreren Grazer Schulen. Das Argument, dass es dazu keine mehrsprachigen Lehrer gibt, gilt nicht. Man kann ja endlich anfangen, solche Lehrer auszubilden. Die Migration wird nicht aufhören, man braucht solche Lehrkräfte auch in Zukunft.

Zuletzt noch: Eigene Deutschklassen kann man ab dem zehnten Lebensjahr und dem Eintritt in die Neue Mittelschule bzw. Mittelschule einrichten, da die Kinder in diesem Alter bereits die notwendige Reife haben. Sie jedoch 20 Stunden in einem Gegenstand zu unterrichten ohne Bezug zu den Lernfächern ist eine unstatthafte Überforderung (selbst für manche Erwachsene).

... statt "bunte Klassen"

Die Regierung wiederholt das Modell der "bunten Klassen", das in den 1970er-Jahren im Bayern und in Salzburg eingesetzt, jedoch sehr bald wieder abgeschafft wurde, weil es zu einem Ghetto ohne Lernfortschritte führte. Das Modell der Regierung wird den Kindern, den Familien und dem gesamten Land schaden, da es sprachliche Integration nicht fördert, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit durch ein Retro-Konzept sogar verhindert. (Rudolf Muhr, 13.2.2018)