Madrid/Frankfurt – Spanien schickt Wirtschaftsminister Luis de Guindos ins Rennen um den Posten des Vize-Präsidenten der Europäischen Zentralbank. Das teilte das Wirtschaftsministerium des Landes am Mittwoch mit. Der Posten an der Seite von EZB-Chef Mario Draghi muss neu besetzt werden, weil die Amtszeit des Portugiesen Vitor Constancio im Mai nach acht Jahren endet.

Die Nominierung dürfte laut Experten Folgen haben für die 2019 anstehende Neubesetzung des EZB-Chefpostens. Sollte ein Südeuropäer Vize werden, könnte dies die Aussichten von Bundesbank-Chef Jens Weidmann erhöhen, Nachfolger von Draghi zu werden. Dieser tritt Ende Oktober 2019 ab.

19. Februar als möglicher Wahltag

Irland hatte bereits seinen Hut in den Ring geworfen und Notenbank-Chef Philip Lane vorgeschlagen. Für die Insel wäre ein Sitz im EZB-Führungsgremium eine Premiere seit Errichtung der Währungsunion im Jahr 1999.

Es wird erwartet, dass die Finanzminister der Eurozone am 19. Februar über die Constancio-Nachfolge entscheiden. Wie bei europäischen Spitzenpersonalien üblich muss dabei ein Ausgleich der Länder-Interessen gefunden werden. Sollte der Vize-Posten an eines der südlichen Euro-Staaten gehen, werde der Chefsessel wahrscheinlich für einen Vertreter aus dem Norden reserviert bleiben, hatten Insider der Nachrichtenagentur Reuters unlängst gesagt.

Seit 2011 spanischer Minister

De Guindos äußerte sich am Mittwoch zuversichtlich, als Sieger aus dem Rennen hervorzugehen. Dabei warb der Politiker mit den jüngsten wirtschaftlichen Erfolgen seines Landes. So stellte er in Aussicht, Spanien werde 2018 die Wachstumsprognose der EU von 2,6 Prozent übertreffen. Der 58-Jährige ist seit 2011 Wirtschaftsminister des viertgrößten Landes im Währungsraum. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die Wirtschaftskrise in Spanien zu überwinden. De Guindos kann sich zudem auf die Fahne schreiben, dass er mitgeholfen hat, dass spanische Geldhäuser ihren Bestand an notleidenden Krediten um rund acht Prozent verringert haben.

Vor seinem Wechsel in die Regierung leitete de Guindos bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) in Madrid die Finanzabteilung. Weitere Karrierestationen waren Leitungspositionen bei den Investmentbanken Nomura und Lehman Brothers in Spanien. Das Land ist seit 2012 nicht mehr im Führungsgremium der EZB vertreten.

Der Ire Lane hingegen kann als promovierter Ökonom eine steile akademische Karriere vorweisen. Der 48-Jährige ist seit Oktober 2015 Gouverneur der irischen Notenbank. Zuvor hatte er unter anderem am Trinity College in Dublin und an der Columbia University in den USA gelehrt. Lane war zudem als akademischer Berater für die Europäische Kommission, den Internationalen Währungsfonds und eine Reihe von Zentralbanken tätig. Er gilt auch als ein möglicher Kandidat für den Posten des EZB-Chefvolkswirts. Auch diese Position muss im kommenden Jahr neu besetzt werden, denn die Amtszeit des Belgiers Peter Praet läuft Mai 2019 aus. (APA, 7.2.2018)