"Wünschen kann man sich viel, aber ich sehe uns ehrlicherweise nicht bei über 20 Prozent", sagt Tirols SP-Chefin Blanik.

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STANDARD: Sie rufen im Wahlkampf die "neue SPÖ" aus. Was war denn bisher nicht gut?

Blanik: Es war vorher auch nicht schlecht, aber ich denke, die Zeiten verändern sich, und damit muss sich die Politik ändern. Mir war wichtig, die Partei personell zu erneuern und jugendliche Frische reinzubringen. Wir wollen mit der neuen SPÖ ein positives Politikkonzept verfolgen, statt weiter auseinanderzudividieren oder Sündenböcke zu finden.

STANDARD: Strebt die SPÖ in Tirol eine Oppositionsrolle an, oder will man in die Regierung? Und wo sehen Sie sich selbst dabei?

Blanik: Es war immer klar, dass die SPÖ gestalten und wieder in die Regierung will, wenn sie stark genug dafür ist. Aber wenn ich über meine Person befragt werde, dann ist das ganz logisch, dass ich zuerst mein Amt als Bürgermeisterin von Lienz im Fokus habe.

STANDARD: Denken Sie nicht, dass die Wähler wissen wollen, welche Personen sie mit der SPÖ in mögliche Regierungsämter wählen?

Blanik: Was der Wähler auf jeden Fall weiß, ist, dass die Frau Blanik die Parteivorsitzende ist und dafür steht, dass die Themen des Wahlkampfes eingehalten werden. In welcher Position auch immer. Wenn bei Regierungsverhandlungen Wohnen oder Gemeinden zur Diskussion stehen, dann werde auch ich mich wieder ins Spiel bringen. Aber derzeit sehe ich dafür keinen Grund. Und auch Georg Dornauer auf Platz zwei heißt nicht explizit, welches Ressort oder welche Rolle er dann haben würde.

STANDARD: Die SPÖ beansprucht, ein modernes, faires und gesellschaftspolitisch offenes Tirol sei nur mit ihr möglich. Wie grenzen Sie sich von den Grünen ab, die im Grunde dasselbe behaupten?

Blanik: Wir sind sicher gesellschaftspolitisch offener als die bürgerlichen Tiroler Grünen. Auch weil sie in vielen Bereichen fundamentalistische Positionen vertreten, wie etwa bei Verkehr und Umwelt. Wenn ich mir deren Politik in den vergangenen fünf Jahren im Landtag ansehe, fallen mir einige solcher Punkte ein.

STANDARD: Ihr Vize Dornauer hält 25 Prozent der Stimmen für möglich. Sehen Sie das auch so, und welches Pouvoir braucht es mindestens, um stark genug für eine Koalition mit der ÖVP zu sein?

Blanik: Er ist jung und überschwänglich. Wünschen kann man sich viel, aber ich sehe uns ehrlicherweise nicht bei über 20 Prozent. Derzeit stehen wir bei 13,7 Prozent. Wir brauchen auf jeden Fall ein starkes Votum, um auf Augenhöhe verhandeln zu können. Aber wie viel genau, hängt sehr vom Abschneiden der anderen Parteien ab.

STANDARD: Sie fordern ein "Cooling down", also dass Regierungsmitglieder ein Jahr nach Ausscheiden aus dem Amt keine Führungspositionen in Landesbetrieben einnehmen dürfen. Ist der ehemalige SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter und jetzige Neue-Heimat-Chef Hannes Gschwentner nicht genau so ein Negativbeispiel?

Blanik: Das ist ja interessant, dass man da immer Hannes Gschwentner als Beispiel hernimmt. Aber wenn ich mir die ÖVP-Landesräte ansehe, die in der Tiwag und anderswo auftauchen, wäre das wohl auch für die anderen Parteien angebracht.

STANDARD: Beim Thema Asyl wollen Sie Menschen mit einer positiven Aussicht auf Bleiberecht Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren. Wie soll das genau aussehen?

Blanik: Es ist eine Perversion des derzeitigen Systems, dass wir Schutzsuchende über Jahre zur Untätigkeit zwingen, ihnen aber zugleich vorwerfen, uns auf der Tasche zu liegen. Es gibt in Gesprächen mit AMS und Gewerkschaft akkordiert das Commitment, unter 25-Jährige und jene mit Aussicht auf einen positiven Asylbescheid viel früher in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Es ist absurd, dass wir uns einerseits den Kopf zerbrechen, wie man Arbeitskräfte für den Tourismus bekommen könnte, aber andererseits diese Menschen zum Nichtstun verdammen.

STANDARD: Sie fordern trotz sinkender Verbrechensrate und steigender Aufklärungsquote mehr Polizei. Ist das nicht populistisches Fischen im FPÖ-Wählerteich?

Blanik: Nein, mir geht es darum, diese Diskrepanz aufzuzeigen. Wir wissen, dass die Kriminalitätsrate sehr niedrig ist, aber das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen sagt etwas anderes. Man hat im ganzen Land die Polizei ausgedünnt, Planstellen nicht nachbesetzt, und die Beamten müssen unglaubliche Überstunden machen. Die neue SPÖ steht dafür, dass ich Sicherheitskräfte brauche, das hat nichts mit der FPÖ und Populismus zu tun.

STANDARD: Sie legen einen Schwerpunkt auf das Stadt-Land-Gefälle. Was gibt es hier zu tun?

Blanik: Die Abwanderung aus den peripheren Räumen ist ein großes Problem. Das Innovationspotenzial geht auf der einen Seite verloren, aber auch die Zentralräume können auf der anderen Seite mit diesem Zuwachs kaum mehr umgehen. Dieser Zuzug ist ja nicht gottgewollt, sondern politisch gesteuert, und da braucht es Gegenmaßnahmen, die vor allem Mobilität, Kinderbetreuung und Digitalisierung betreffen.

STANDARD: War die Abschaffung des Pflegeregresses richtig oder ein Schnellschuss des Bundes?

Blanik: Es war ein absolut wichtiger Beschluss. Pflege und Gesundheit sind für jede Sozialdemokratin Aufgabe der öffentlichen Hand und nicht des Privaten. Aber bei der Umsetzung ist man derzeit auf Bundes- und Landesebene säumig. Für Träger und Betroffene ist das ein untragbarer Zustand. (Steffen Arora, 7.2.2018)