Elsayed Talaat: "Die Analyse des Weltraumwetters kann dabei helfen, andere Sonnensysteme zu verstehen."

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Ab in die Sonne: Im Juli startet die Parker Solar Probe, um aus nächster Nähe mehr über Sonnenwinde, Partikelströme und die Hitzeentwicklung in der Korona herauszufinden.

Illu.: NASA

Nasa-Chefwissenschafter Elsayed Talaat über den Hitzeschild und Erkenntnisse für Allmissionen und die Erde

STANDARD: Die Parker Solar Probe soll den äußeren Teil der Atmosphäre der Sonne, genannt Korona, und das magnetische Feld der Sonne untersuchen. Welche wissenschaftlichen Aktivitäten sind damit verbunden?

Talaat: Zwei Geheimnisse sollen gelüftet werden: Die Korona ist mit ihren Millionen Grad viel heißer als die Sonnenoberfläche mit etwa 6000 Grad Celsius. Warum das so ist, verstehen wir noch nicht zur Gänze. Der Sonnenwind wird hier zudem auf einen Wert im Überschallbereich beschleunigt – natürlich gibt es keine Schallwellen wie auf der Erde, aber analoge Vorgänge. Auch hier verstehen wir die dahinterliegenden physikalischen Mechanismen nicht vollständig. Um diese Fragen zu beantworten, wird Parker vor Ort Daten sammeln. Die Sonde wird Partikelströme und ihr Energieniveau untersuchen, das Magnetfeld analysieren und Aufnahmen vom Sonnenwind in dieser Region anfertigen.

STANDARD: Können Sie die Instrumente an Bord näher beschreiben?

Talaat: Parker verfügt über insgesamt vier Instrumente. Das Fields-Experiment (Electromagnetic Fields Investigation) nimmt mithilfe mehrerer Magnetometer eine Messung der elektrischen und magnetischen Felder und Wellen vor und sucht darin nach Spuren von Energieübertragungen. Fields ermittelt zudem die Plasmadichte und die Temperatur der Elektronen. Auch die Strahlungsemissionen der Sonne werden aufgezeichnet. Diese Kombination sollte sowohl über den Vorgang der Erhitzung der Korona als auch über jenen der Beschleunigung der Partikel wichtige Anhaltspunkte geben.

STANDARD: Ein paar Monate nach der Parker Solar Probe startet die Europäische Weltraumagentur Esa – in Kooperation mit der Nasa – den Solar Orbiter, eine weitere Sonde zur Erforschung der Sonne. Wie ergänzen sich die beiden Missionen?

Talaat: Parker nähert sich der Sonne auf fünf Prozent der Distanz zwischen Erde und Sonne und wird der Oberfläche so nahe kommen wie keine Sonde zuvor. Der Solar Orbiter kommt der Sonne auch nahe, bleibt aber in einer Entfernung von 30 Prozent der Distanz. Die Sonde sammelt Daten über die Sonnenaktivität aus weiterer Entfernung und aus einer anderen Perspektive, um die Vorbeiflüge von Parker an der Sonne in einen größeren Zusammenhang zu setzen. Die Position wurde so ausgewählt, damit Solar Orbiter einen besseren Blick auf innere Vorgänge der Sonne werfen kann.

STANDARD: Parker nutzt mehrere Vorbeiflüge am Planeten Venus, um der Sonne nahezukommen. Wie funktioniert dieses Manöver?

Talaat: Anders als bei Missionen zu anderen Planeten unseres Sonnensystems nutzt Parker die Vorbeiflüge nicht, um mehr Energie zu gewinnen. Die Sonde nutzt die Gravitation der Venus, um den gewünschten Orbit zu erreichen. Es gibt sieben Vorbeiflüge, und jedes Mal wird der Orbit etwas enger, sodass Parker jedes Mal näher an die Sonne herankommt. Zuletzt wird ein Umkreisen der Sonne nur 88 Tage dauern.

STANDARD: Der Tag, an dem die Sonde am nächsten an der Sonne ist, wird plangemäß der 19. Dezember 2024 sein. Was wird an diesem Tag passieren?

Talaat: Die Sonde wird dann an einen Abstand von weniger als zehn Sonnenradien herankommen. Nach heutigem Wissensstand ist das ein Bereich, in dem die Partikel noch nicht auf die Schallgeschwindigkeit des Plasmas beschleunigt wurden.

STANDARD: Wie muss eine Sonde gebaut sein, um der enormen Hitze und der Strahlung in dieser Sonnennähe widerstehen zu können?

Talaat: Die Idee einer Sonde zur Sonne gibt es schon seit 60 Jahren, sie ist älter als die Nasa selbst. Die Technologie ist nun endlich so weit, dass wir sie auch umsetzen können. Es wurde ein thermales Schutzsystem entwickelt: Ein großes Schild aus Carbonverbundmaterial, das immer in Richtung Sonne zeigt, schützt die Sonde vor der Hitze. Das Schild wird sich, obwohl die Atmosphäre der Sonne in der Flugbahn noch relativ dünn ist, auf 1400 Grad Celsius erwärmen. Hinter dem Schild, wo die Instrumente sind, wird aber Raumtemperatur herrschen. Diese technische Leistung ermöglicht die Mission überhaupt erst. Eine andere technische Schlüsselinnovation liegt in den einzigartigen Solarpaneelen, die über ein spezielles Flüssigkühlsystem verfügen, um exponierte Teile zu schützen.

STANDARD: Wie können die Erkenntnisse für zukünftige Weltraummissionen, etwa einen bemannten Flug zum Mars, nützlich sein?

Talaat: Wir erhoffen uns ein besseres Verständnis des Weltraumwetters, also davon, wie Aktivitäten auf der Sonne in Interaktion mit dem Erdmagnetfeld Einfluss auf die technologische Infrastruktur der Erde haben. Das Weltraumwetter betrifft auch Astronauten im Erdorbit oder bei einer Reise durchs Sonnensystem. Parkers Untersuchungen sollen neben Daten über die stetige Partikelstrahlung auch Daten über Sonneneruptionen und koronalen Massenauswurf liefern, die die Astronauten gefährlichen Strahlungsdosen aussetzen können. Wenn man ihre Physik versteht, kann man auch das Weltraumwetter besser vorhersagen und Raumfahrtaktivitäten besser schützen. Bei bemannten Marsmissionen müsste man berücksichtigen, welchen Strahlungsmengen die Besatzung ausgesetzt ist. Dabei kann relevant sein, zu welchem Zeitpunkt des Sonnenzyklus man die Reise anlegt.

STANDARD: Kann ein genaueres Wissen über unsere Sonne auch bei der Suche nach Exoplaneten, also nach Himmelskörpern, die andere Zentralgestirne umkreisen, helfen?

Talaat: Dabei ist es natürlich besonders interessant, ob Leben auf den gefundenen Exoplaneten möglich ist. Man konzentriert sich dabei auf die sogenannte habitable Zone um einen Stern, in der Temperaturen herrschen, die Wasser in flüssiger Form zulassen. Wir glauben auch, dass das Weltraumwetter ein Parameter sein sollte, um festzulegen, wo diese habitable Zone ist. Die Strahlungsumgebung einer Sonne könnte etwa die Existenz von Leben befördern oder so intensiv sein, dass sie Leben verhindert. Die Mechanismen des Weltraumwetters unserer Sonne zu verstehen ist auch deshalb wichtig, um sie auf andere Sonnensysteme übertragen zu können.

STANDARD: Die Sonde soll am 31. Juli ins All starten. Was ist der aktuelle Status quo der Mission, ein halbes Jahr vor dem Start?

Talaat: Jetzt gerade sind wir bei Thermalvakuumtests sowie mechanischen Prüfläufen. Wir prüfen das Raumfahrzeug als Ganzes mit allen Instrumenten an Bord unter verschiedenen Temperaturverhältnissen und auf das Standhalten gegen Vibrationen. Immerhin erreicht die Sonde eine Geschwindigkeit von bis zu 200 Kilometern pro Sekunde. Das ist die Phase, in der wir sichergehen, dass wirklich alles bereit für den Start ist. Dann wird die Sonde zur Vandenberg Air Force Base in Kalifornien verlegt, um sie für den Start bereitzumachen.

STANDARD: Was passiert mit der Sonde, wenn sie ihre Mission erfüllt hat?

Talaat: Wir hoffen, dass sie auch nach ihrer Primärmission noch weiter durchhält. Sie bleibt noch einige Zeit im 88-Tage-Orbit um die Sonne, wird sich also in einer rauen Umgebung befinden. So lange sie funktioniert und Daten produziert, könnte sie weiter in Gang gehalten werden. Wir haben eine ganze Flotte an Weltraumfahrzeugen, die auch nach ihrer Erstmission weiter aktiv sind. Aber um diese Aktivitäten machen wir uns erst Sorgen, wenn es so weit ist. (Alois Pumhösel, 11.2.2018)