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Schwämme – hier ein riesiger Hornkieselschwamm der Spezies Xestospongia muta – zählen zu den ältesten Lebewesen der Erde. Möglicherweise entstanden sie in einer sauerstoffarmen Umwelt.

Foto:Brian Witte/AP/dapd

München – Schwämme zählen zu den ältesten und zugleich einfachsten mehrzelligen Lebewesen der Erde. Nun haben internationale Wissenschafter herausgefunden, dass den Angehörigen dieses heute bis zu 10.000 Arten umfassenden Tierstammes ein molekularer Signalweg fehlt, mit dem andere Tiere intern Sauerstoff regulieren. Ob sie stattdessen andere Mechanismen dafür entwickelt haben, ist unklar. Falls dem nicht so ist, könnten ihre frühesten Vorfahren in einer sehr sauerstoffarmen Welt entstanden sein, vermuten die Forscher.

Schwämme stehen ziemlich am Beginn des tierischen Lebens auf der Erde vor über 650 Millionen Jahren. Vor kurzem konnten Forscher nachweisen, dass Schwämme, und nicht Rippenquallen, sehr wahrscheinlich die Schwestergruppe aller anderen Tiere sind. Sie spalteten sich nah der Wurzel vom Stammbaum ab, aus der anderen Linie entwickelten sich alle übrigen Tiere. Ein Team um Gert Wörheide von der Ludwig-Maximilians-Universität München ist jetzt dahintergekommen, dass Schwämme im Gegensatz zu fast allen anderen Tieren mit sehr wenig Sauerstoff zurechtkommen.

Wichtiger Sauerstoffregulator

Die überwiegende Mehrheit aller heute lebenden mehrzelligen Tierarten braucht Sauerstoff zum Leben. Für den Fall, dass dieser nicht ausreichend vorhanden ist, verfügen sie über einen molekularen Signalweg, den sogenannten HIF-Signalweg, der es ihnen erlaubt, Sauerstoff in den Zellen zu regulieren, um somit ein bestimmtes Level an Sauerstoff im Körper aufrechtzuerhalten. Bislang war unklar, ob auch alle tierischen Vorfahren über diese Fähigkeit verfügten.

In Experimenten fanden die Wissenschafter nun heraus, dass der Meeresschwamm Tethya wilhelma mit nur 0,25 Prozent des heutigen Sauerstoffgehalts in den Meeren zurechtkommt. "Das hat uns sehr überrascht", sagt Wörheide. Das im Fachjournal "eLife" präsentierte Ergebnis der Untersuchungen führt zu der Frage, wie Schwämme mit Sauerstoffknappheit umgehen. Genetische Analysen zeigten, dass Schwämmen, wie auch den ebenfalls analysierten Rippenquallen, wichtige Komponenten des HIF-Signalwegs fehlen, mit dem Tiere normalerweise den Sauerstoffgehalt in ihrer Umgebung wahrnehmen und Schwankungen ausgleichen.

Rätselhaftes Präkambrium

Nun wollen die Biologen klären, ob Schwämme einen anderen Mechanismus dafür entwickelt haben oder einfach nur generell mit sehr wenig Sauerstoff auskommen. Diese Frage hat auch große Bedeutung für das Verständnis der Evolutionsgeschichte auf unserem Planeten. Niemand wisse genau, wie es im Präkambrium auf der Erde aussah, meint Wörheide. Weder Schwämme noch Rippenquallen – beide die Schwestergruppen der anderen Tiere – besäßen allerdings die Fähigkeit, den Gehalt von Sauerstoff in der Umgebung so wie andere Tiere durch den HIF-Signalweg wahrzunehmen und darauf zu reagieren.

"Und da Schwämme, wie wir experimentell zeigen konnten, anscheinend mit sehr wenig Sauerstoff auskommen, könnte man durchaus rückschließen, dass die frühesten gemeinsamen Vorfahren der Tiere womöglich in einer sehr sauerstoffarmen Umwelt atmeten", sagt der Forscher. (red, 10.2.2018)