Wien – Das türkis-blaue Regierungsprogramm hat für Menschen mit Behinderung wenig zu bieten. Diesen Schluss zogen Interessenvertretungen und die Volksanwaltschaft am Freitag. Besonders kritisch beurteilen sie den geplanten Ausbau der Sonderschulen und die Rahmenbedingungen in Arbeitswerkstätten.

"Der Ausbau von Sonderschulen hat mit Inklusion gar nichts zu tun. Das Ziel müsste der Rückbau sein. Hier ist die Regierung falsch abgebogen", kritisierte Volksanwalt Günther Kräuter. Der Ansatz der Regierung widerspreche der in der UN-Behindertenkonvention geforderten Inklusion und werde bei der Evaluierung der Umsetzung der Konvention auf viel Kritik stoßen.

Retroprogramm

Das Regierungsprogramm biete weder neue Chancen für Behinderte, noch setzte es Schritte für ein selbstbestimmtes Leben. "Es ist ein Retroprogramm und über weite Strecken eine Enttäuschung", sagte Martin Ladstätter vom Verband Selbstbestimmt leben Österreich. Er hofft, dass die größten "Dummheiten" im Regierungsprogramm verhindert werden können.

Besonders kritisch sehen die Interessenvertreter auch die Werkstätten, in denen rund 24.000 Menschen mit schweren Behinderungen arbeiten. Diese sind lediglich unfallversichert, verfügen aber über keine eigenständige Kranken- oder Pensionsversicherung und gelten nicht als Arbeitnehmer. Sie können demnach keine Eigenpension erwerben und "verbleiben lebenslang auf dem Status von Waisen". Auch das widerspreche der UN-Behindertenrechtskonvention, so Kräuter.

Keine Besserstellung

Für diese Menschen sieht die Regierung lediglich eine Erhöhung des Taschengeldes vor, aber keine rechtliche Besserstellung. Für den Präsidenten des Behindertenrates, Herbert Pichler, ist die Sonderschule eine "Sackgasse" und die Werkstätte "Arbeit für Almosen". Er habe selbst eine Sonderschule besucht und musste alles im zweiten Bildungsweg mühsam nachholen. 70 bis 80 Prozent seiner ehemaligen Schulkollegen arbeiten in Werkstätten. "Ohne Sonderschulen wären viel weniger Menschen in Beschäftigungstherapie", erklärte Pichler.

Hier gehe es mitunter um Lohndumping und in manchen Fällen sogar um Ausbeutung, gab Kräuter zu bedenken. Es sei außerdem eine Frage der Menschenwürde. (APA, 2.2.2018)